Perspektiven prüfen: Kleine Übung in authentischer Kommunikation

Die Geschichte eines Managers, der aus Gründen der Rhetorik ins Coaching geschickt wurde und sich am Ende der Start-Sitzung wie bei der ersten Kommunion fühlt / stolz und irgendwie sicherer.

Es ist das erste Mal. Ich bin geschickt worden. Mein Vorgesetzter meint, ich trete nicht angemessen auf mit Blick auf meine Position. Nun ja, ich bin 40 Jahre alt. In meiner Position der Jüngste unter Zwölfen. Ich kann stolz auf mich sein.
 
Aber es gibt da was. Mir selbst nicht klar. Das mich zurück hält. Mich nicht ganz lässt. In mir kämpft. Mich zurück kommandiert, so wie ich angekommen bin und stolz: Der Erfolg ist das eine. Die Ungewissheit, ob es dies ist, was ich wirklich will, das andere.
 
Mein Coach ist ein harter Knochen. Das hab ich gleich gesehen. Nicht wegen der Größe. Sie ist größer als ich. Und kräftig. Ich kann sie mir gut beim Sport vorstellen. Sie hat einen Ernst, der mich anlacht und tief untergräbt. Dort, wo es in mir wackelt.
 
Aber so schnell knicke ich nicht ein. Ich will meinen Auftritt optimieren. Nicht mir den Ast absägen lassen, auf dem ich sitze. In so einem Coaching schon gar nicht. Geschweige denn im Job. Aber dass ich was klären muss, leuchtet mir ein. Das, was ich wirklich will.
 
Sie will eine Reise mit mir machen, sagt sie, eine mentale. Mich als alten Mann abholen. Nicht vorgeben, was ich sehe. Nur das Gerüst anbieten. Lebensetappen.  Der Rest ergebe sich von selbst, meint sie. So hätten bereits viele gefunden, was ihnen wirklich zugedacht ist.
 
„Zugedacht ist, zugedacht ist“ hallt es in mir nach. Irgend etwas rührt das an in mir. Als ob ich plötzlich in einem großen Sessel Platz genommen hätte, eingeladen, mich zurück zu lehnen. Und nur die Aussicht darauf treibt mir schon die Tränen in die Augen.
 
Aber es nutzt ja nichts. Ich kann doch nicht plötzlich aussteigen und Drehbücher oder Romane schreiben. Ich bitte Sie. Ich bin froh, einigermaßen in der Rechtschreibung fit zu sein. Wer weiß, was ich mir aus der gelassenen Laune eines Greisen plötzlich alles zutraue.
 
Meine Frau wird sich freuen, wenn ich ihr auftische, künftig als Zauberer mein Glück zu versuchen. Um meine beiden Kleinen als Zwerge auf der Bühne gleich mit zu verdingen. Bloss keine Bange, sagt der Knochen da. Ich müsse es ja nicht tun, ich könne es ja auch einfach lassen.
 
Langsam schwant mir, worauf sie mit ihrer Reisenummer überhaupt aus ist. Wenn ich den Komiker als meinen Lebenstraum entdecke, weiß ich immerhin, was ich eigentlich schon immer sein wollte. Wenigstens eine Erklärung hätte ich dann für das ewige Hadern.
 
Womöglich entdecke ich mich aber auch in genau der Rolle wieder, in der ich nun mal grade stecke. Welche Überraschung! Sie bleibt cool. Dann hätte ich entdeckt, dass ich genau dies wirklich wolle. Ich für mich selbst und nicht für meine Frau für meinen Vater oder sonst wen.
 
Das ist wie das erste Mal zur Kommunion gehen. Es wird dir auf die Zunge gelegt. Du isst. Schmeckst. Spürst, dass da irgendwas passiert. Einfach, weil du es willst, vermutlich. Und anschließend gehörst du wirklich dazu, bist einer von ihnen, auch groß.
 
Ich weiss, wie ich danach wirklich anders ging. Die Art mich zu bewegen. Irgendwie einfach lässiger. Ich hatte es nicht mehr nötig mich anzustrengen. Es war ganz klar. Da gab es nichts mehr zu beweisen. Ich war mir meiner selbst sicher.
 

Anmerkung:

Manche Texte verlangen danach, wiederholt gelesen zu werden: Zum Ende des alten und zu Beginn des neuen Jahres. Das sind die kleinen Nach-Hilfen in Erinnerung, die uns das Lebens schenkt. Nur unter neuen Vorzeichen.

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