Legendenbildung für die Reputation
Wie es den Vorfahren der Kölner Senior Beraterin und Buchautorin Birgitt Morrien gelang, sich zu den Nachfahren der Heiligen Drei Könige zu machen, weshalb die Sippe bis heute Stern und Mohr im Wappen trägt. Und wie dieser Umstand die Morrien-Dynastie die Karriereleiter heraufkatapultierte – in den erblichen Reichsfreiherrenstand. Ein Recherchebericht von Walter Volmer, ehemaliger Leiter der Kölner Kriminalpolizei.
Drei Könige in Lüdinghausen/Nordkirchen
Im Matthäusevangelium steht am Schluss des Berichts über die „Weisen“: „Darum zogen sie auf einem anderen Wege in ihr Land zurück.“ Leider hat man bisher den Weg nicht rekonstruieren können. Ich kann Ihnen aber nun mitteilen, dass die Heiligen Drei Könige über meine Geburtsstadt (ich wurde am 14.8.1941 in Lüdinghausen geboren) in ihre Heimat zurückgezogen sind!?
Die grundlegenden Erkenntnisse dazu habe ich von meinem leider verstorbenen Schulfreund Georg Inkmann, der Ortsheimatpfleger in Lüdinghausen war. Er hat sie uns vorgetragen, als ich kurz vor meiner Pensionierung als Leiter der Kölner Kriminalpolizei mit meinen Führungskräften in meiner Geburtsstadt war. Seine gründliche Recherche können Sie in dem beigefügten Artikel nachlesen. Daher will ich hier nur kurz zusammenfassen:
Die Geschichte beginnt mit der Geschichte der Morrien.
Ältester Namensträger war Johann von Morrien zu Lüdinghausen (1271–1298 erwähnt). Er wurde um 1252 in Lüdinghausen (auf der Burg Lüdinghausen – in dieser Burg bin ich 6 Jahre zur Schule gegangen) geboren. Sein Vater Bernhard von Senden zu Lüdinghausen war Ritter und Vasall des Bischofs von Münster und des Grafen von Ravensberg. Johann wurde Ritter und erhielt vom Bischof den Oberhof Selm als Pfand. Vom Kloster Werden wurde er mit dem Oberhof Nordkirchen und den Höfen tor Horst und Bertelswich belehnt und führte seitdem den Titel Herr zu Nordkirchen. Er – oder ein späterer Nachfahre – hat sich dieses Wappen gegeben.
Über dem Schild befinden sich zwei Straußenfedern und der Oberkörper eines Schwarzen. Bisher hatte ich den Schwarzafrikaner in einem westfälischen Wappen in dieser Zeit für sehr ungewöhnlich gehalten, habe in der Zwischenzeit allerdings mehrere Wappen dieser Art gefunden. Interessanterweise führt auch Papst Benedikt XVI. einen Schwarzafrikaner in seinem Wappen (der Hl. Mauritius ist nicht nur Pfarrpatron in Nordkirchen, sondern auch der Erzdiözese München-Freising). Sie finden ihn auf dem folgenden Wappen links oben.
Im „Universal-Lexicon“ des Johann Heinrich Zedler, Leipzig 1339, wird über die Familie Morrien berichtet. Danach sollen sie mit Karl dem Großen ins Land gekommen sein und für geleistete Dienste viele Güter und Privilegien erhalten haben. Ihre ältesten Ahnen seien die Heiligen Drei Könige gewesen, weshalb sie auch einen Stern und einen Schwarzen im Wappen führten.
Der eigentliche Urheber der Legende scheint jedoch Berswold zu sein, der 1624 das „Westfälische Adelich Stammbuch“ herausgab. Wer weiß, wie viel Honorar er dafür von den Morrien bekommen hat. Diese gewiss erfundene Abstammungstheorie bis zu Karl dem Großen wurde kritiklos von einem kaiserlichen Diplom Leopold Wilhelms, Graf zu Königsberg, aus dem Jahre 1670 übernommen, kraft dessen die Brüder Morrien in den erblichen Reichsfreiherrenstand erhoben wurden.
1652 – nach anderen Quellen 1684 – pilgerte Ferdinand Reichsfreiherr von Morrien, Erbmarschall des Fürstbistums Münster, Herr von Nordkirchen usw., Besitzer von 224 Bauernhöfen sowie 52 Häusern in Münster, Herford und Osnabrück, nach Köln. Wie Georg Inkmann zutreffend ausführt, ist Erbmarschall Ferdinand Morrien – wissentlich oder unwissentlich – betrogen worden, als man ihm erzählte, dass der Schwarze in seinem Wappen bedeutete, dass er vom dunkelhäutigen der Heiligen Drei Könige abstamme. Er hat jedenfalls die Geschichte geglaubt, so dass er einen seiner Bauernhöfe verkaufte und von dem Erlös einen goldenen sechszackigen Stern mit Diamanten besetzt anfertigen ließ. Dieses kostbare Kleinod übergab er dem Reliquienschrein der Heiligen Drei Könige, in der festen Überzeugung, dass dort die Gebeine seiner Ahnen ruhen.
Nachdem ich von Georg Inkmann diese Geschichte bekommen hatte, habe ich weitergeforscht:
1. Ich habe im „Historischen Archiv des Erzbistums Köln“ nach einer Stiftungsurkunde für den Stern gesucht. Dabei habe ich zwei Kisten mit Unterlagen über den Dom (Findbuch für alte Akten) gesichtet, jedoch keinen entsprechenden Eintrag gefunden. Der Leiter des Archivs hat mir dazu mitgeteilt, dass Stiftungen im Mittelalter häufig ohne Beurkundungen geschehen sind (auch von vielen wertvollen Bildern und Statuen), Ausnahmen sind Stiftungen über Grundstücke oder mit Verpflichtungen (regelmäßigen Messen, Stipendien usw.).
2. Dann habe ich aber das in dem Zeitungsartikel angesprochene Buch „Sammlung der prächtigen Edelgesteine, womit der Kasten der dreyen heiligen Weisen Königen in der hohen Erz-Domkirche zu Köln ausgezieret ist, nach ihrem ächten Abdrucke in Kupfer gestochen“ von J. P. N. M. (Jean Philipp Neri Marie) Vogel gefunden (Domarchiv und Bücherei Maternushaus). Auf der 3. Innenseite ist vermerkt: „Der Verfasser dieses Werkes ist der churkölnische Hofkammerrath P. N. M. Vogel, welcher es 1781 zu Bonn auf Befehl des Churfürsten Max Friederich herausgab. – Dombibliothek 12.12.92“. Auf der Titelseite befindet sich der Abdruck der Vorderseite des Dreikönigenschreins (in verkleinerter Form ist diese Frontseite auch zu sehen in: „Museen in Köln, Bild der 52. Woche: 29.12.2003 bis 5.1.2004). In der folgenden Abbildung sieht man den Stern in der obersten Ecke der Frontseite des Schreins.
3. Auf Seite 21 findet sich das in dem Artikel angesprochene Zitat zu dem Stern: „In Gold gefasster Stern von puren Brillanten des Ferdinand Morrien Nordkirchen“.
4. Herr Vogel nimmt an, dass an dieser Stelle ein Kreuz gewesen sei. Auf Seite 21 schreibt er: „Woraus dann zu schließen, dass in dieser Rundung vorhin ein Kreuz eingebracht gewesen sein müsse …“. Er schließt das aus der vorangehenden lateinischen Inschrift, die eine größere Rundung umschließt („In Cruce vita …“). Das lässt sich jedoch so nicht halten, denn im Weiteren beschreibt Vogel zutreffend die beiden Rundungen über dem „Allerhöchsten Richter“, in welchen die Erzengel Gabriel und Raphael dargestellt werden (man kann die beiden Engel unter dem Stern erkennen). In der darüber liegenden Rundung (in der sich nach seiner Beschreibung und Zeichnung 1781 der morriensche Stern befand) befand sich nämlich vorher ein Abbild des Erzengels Michael mit einem Kreuz in der Hand. Aus Letzterem erklärt sich die erhalten gebliebene Umschrift mit dem Bezug zum Kreuz. Heute befinden sich an dieser Stelle übrigens nur noch die leere Rundung und ein Edelstein (Bergkristall?).
So sieht die Front des Dreikönigenschreins heute aus:
5. Ich habe daraufhin eine Reihe von Büchern durchgesehen, um festzustellen, wann der morriensche Stern an den Schrein angebracht und wann er wieder entfernt wurde. Dazu habe ich folgende Quellen gefunden:
· „Es führt’ drei König’ Gottes Hand … – hinein ins schöne Sauerland“, Arnsberger Heimatbuch vom November 1994: Auf Seite 16 wird ein sogenanntes „Schonemannsche Pilgerblatt“ von Johan Heinrich (in einem anderen Buch: Johann Eckhard) Löffler aus dem Jahre 1671 abgebildet, auf dem im oberen Medaillon der Vorseite des Schreins die Halbfigur des Hl. Michael zu sehen ist, die „ursprünglich ein Kreuz in den Händen trug“.
· „Die Heiligen Drei Könige – Darstellung und Verehrung“, Katalog einer Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum Köln 1982: Auf Seite 280 befindet sich eine Abbildung des Schreins von Herman Crombach aus dem Jahre 1672, auf der ebenfalls die drei Erzengel über dem Weltenrichter abgebildet sind.
Einschub: Nach diesen Erkenntnissen kann die Jahreszahl 1652 für die Überbringung des Sterns nicht zutreffen (es sei denn, er ist zunächst nicht angebracht worden), so dass wahrscheinlich die von Vogel angegebene Jahreszahl 1684 richtig ist.
Schon bald danach treffen den Schrein jedoch mehrere Schicksalsschläge, die in mehreren Quellen beschrieben sind, ich will mich hier auf die detailreichste stützen: „Zuflucht zwischen den Zeiten – 1794–1803, Kölner Domschätze in Arnsberg“, Arnsberger Heimatbuch, September 1994.
a. Am 12.8.1794 ist Trier von den französischen Truppen eingenommen, daher beschließt das Kölner Domkapitel, den Domschatz nach Arnsberg auszulagern. Es werden dazu mehrere Kisten angefertigt, u. a. für den Dreikönigenschrein zwei Kisten durch den Schreinermeister Claudy.
b. Am 30.9.1794 geht in diesen Kisten der Schrein nach Arnsberg und wird dort in der Abteikirche aufgestellt. Die Reliquien werden an anderer Stelle versteckt.
c. Im Jahre 1794 wird eine Inventarliste des nach Arnsberg geschickten Domschatzes erstellt, die aber nicht erhalten geblieben ist.
d. 1796 und 1798 werden Teile des Domschatzes verkauft (insgesamt 5 Pfund Gold und 155 Pfund Silber für 13.533 Gulden und 45 Kreutzer), darunter sollen sich auch herausragende Stücke befunden haben.
Einschub: Vielleicht ist dabei auch der Stern aus Nordkirchen verkauft worden, weil er ja nicht zur ursprünglichen Ausstattung des Schreins gehörte. Einen Beleg für diese Vermutung habe ich allerdings nicht gefunden. – Vielleicht ist der Stern aber auch schon vor 1795 verloren gegangen, ich habe ihn in späteren Abhandlungen und Bildern nicht mehr gefunden. – Bei meinen „kriminalistischen Stadtspaziergängen“, bei denen ich die Geschichte unter der Überschrift „Betrogener Erbmarschall“ erzähle, sagte vor einiger Zeit ein Teilnehmer aus dem Sauerland: „Jetzt weiß ich endlich, wovon das Hotel ‚Sauerlandstern‘ in Willingen seinen Namen hat und von welchem Geld es gebaut worden ist!“
e. In der ersten Hälfte des August 1802 wird der Domschatz über verschiedene Städte nach Frankfurt/Main gebracht und die Kisten werden im Haus des Scholasters Molinari aufbewahrt. Es gibt einen Streit darüber, was damit geschehen soll und wem der Schatz gehört.
f. Am 30.12.1803 und am 11.1.1804 stellt der Vertreter der französischen Regierung in Frankfurt/Main fest, dass die 11 Kisten der französischen Republik gehören, aber nach Köln zurückgeschafft werden sollen. Daraufhin werden die Kisten am 14.1.1804 im Frankfurter Römer sichergestellt. (Dazu finden sich im Domarchiv, in dem Ordner A II 36, der Befehl für die polizeiliche Begleitung und eine sogenannte Inventarliste, die jedoch sehr pauschal gehalten ist – in der mir vorliegenden Kopie der Liste taucht der Stern nicht auf.)
g. Vom 19. bis 23.03.1803 findet die oben genannte Inventarisierung statt, die jedoch keinen Hinweis auf den Stern ergibt.
h. Am 3.6.1803 gelangt der Schrein mit einem Schiff von Mainz nach Köln und wird zunächst in der Deutzer Abtei aufgestellt. Erika Zwierlein-Diehl stellt in ihrem Buch „Die Gemmen und Kamelen des Dreikönigenschreins“, Köln 1998, auf Seite 44 fest, dass der Zustand des Schreins außerordentlich schlecht gewesen sei, „man musste im Heu nach heruntergefallenen Steinen und Ornamenten suchen“. Von den von Herrn Vogel registrierten 226 Gemmen fehlten 70.
i. Die Reliquien der Heiligen Drei Könige kommen am 11.12.1803 nach Köln.
j. Am 4.1.1804 werden Schrein und Reliquien feierlich in den Dom überführt.
Nachtrag: Ich habe auch die Ahnenreihe der Morrien untersucht (vgl. dazu den Artikel von Georg Inkmann mit den Hinweisen auf die Nachkommen). Obwohl die männliche Hauptlinie 1696 ausgestorben ist, gibt es eine Vielzahl von Personen mit diesem Namen in Norddeutschland (vereinzelt auch in anderen Orten Deutschlands) und in den Niederlanden. Bei diesen Nachforschungen bin ich auf eine Frau gestoßen, die eine Nachfahrin der Morrien ist. Sie ist eine hochgebildete Frau, die Wirtschaftsunternehmen berät. Sie hat mir in einem Gespräch erzählt, dass eine Cousine von ihr einen neuen Zahnarzt aufgesucht habe, der sehr gründlich ihr Gebiss untersuchte. Danach habe er sie gefragt: „Woher haben Sie denn dieses afrikanische Gebiss?“
Ganz egal, ob nun die Heiligen Drei Könige wirklich über Lüdinghausen und Nordkirchen in ihr Land zurückgekehrt sind, ich bin leider nicht mit ihnen verwandt, weil meine Vorfahren aus dem Bereich Wiedenbrück kommen.
PS: Der Stern des Erbmarschalls Ferdinand von Morrien soll übrigens in Paderborn verkauft und eingeschmolzen worden sein, so die Kölner Dombaumeisterin Schock-Werner.
Der Autor:
Walter Volmer (1940-2009), Ex-Kripo-Chef der Stadt Köln
Hey! I understand this is kind of off-topic but I needed to ask.
Does managing a well-established website such as yours require a massive amount work?
I’m completely new to writing a blog but I do write in my journal daily.
I’d like to start a blog so I will be able to share my personal experience and views online.
Please let me know if you have any recommendations or tips for brand new
aspiring bloggers. Appreciate it!