Auch erfahrene und erfolgreiche Journalisten quälen sich mit ihren Texten. Sie flüchten zum Blumen gießen, brüten endlos über Formulierungen, schreiben zum fünften Mal den gleichen Satz. Stilratgeber helfen da nicht weiter: Sie sagen zwar, wie gute journalistische Texte aussehen sollen – aber nicht, wie man sie schreibt.
Dieses Buch schließt eine Lücke: Journalistinnen und Journalisten verschiedener Medien reflektieren ihre Schreiberfahrungen; sie erzählen von den Schwierigkeiten und dem gelegentlichen Glück des Textens. Sie folgen dem Prinzip, dass der Austausch von Erfahrungen mehr helfen kann als kluge Ratschläge. Analysen zum Schreibprozess und Übungen des Creative Writing runden den Band ab. Mit Beiträgen von Marie-Luise Scherer, Angelika Overath, Udo Zindel und vielen anderen.
Marlies Hesse über "Unter Druck"
Wer hat es nicht schon selbst erlebt, wie frau sich auf der Suche nach richtigen Formulierungen durch ihre Texte quält und vor ihren Schreibhemmungen davon läuft.
Wie tröstlich, dann von gleichen Erfahrungen erfolgreicher Journalistinnen wie beispielsweise Ulrike Pfeil, Marie-Luise Scherer oder Judith Rauch zu lesen, die von diesem Druck ebenso wenig frei sind wie vom späteren Gefühl, einen geglückten Text verfasst zu haben. In unterschiedlichen Werkstattberichten reflektieren DozentInnen, AutorInnen, freie und feste JournalistInnen– darunter etliche Mitglieder des Journalistinnenbundes – welche Hürden und Ängste es zu bewältigen gilt und woran Texte oftmals scheitern.
Im Mittelpunkt bewegt sich immer die Suche nach Form und Sprache, um mit guter Recherche dem gerecht zu werden, was zum Lesen, Zuhören oder Zusehen verleiten soll. Umso lieber stöbert frau sich mit inspirierendem Wiedererkennungswert durch manch nachvollziehbare Schilderung von Wegen und Irrwegen.
Wenig ist dieses Thema bisher wissenschaftlich untersucht worden. Und da es bisher kaum Selbstzeugnisse über Textproduktionen gibt, befasst sich der zweite analytisch angelegte Teil des Bandes auch stärker mit den Ergebnissen bisheriger Schreibforschung. Als Herausgeberin dokumentiert Friederike Herrmann, Professorin für Medienwissenschaft mit dem Schwerpunkt Textproduktion an der Hochschule Darmstadt, die im journalistischen Gruppenprozess entstandene Schrift als ihr berufliches Abschiedsgeschenk von der Universität Tübingen.
In ihrem eigenen Beitrag vergleicht sie theoretische Einsichten mit subjektiven Erfahrungsberichten und arbeitet differenziert wesentliche Stufen und Klippen von Textentstehungen heraus, zu denen sie zuvor ZeitungsredakteurInnen interviewt hatte. Eine kleine Sammlung von Übungen zum journalistischen Schreiben rundet den Band ab. Jenseits aller landläufigen Ratgeber eignet er sich mehr als alle anderen Service-Angebote bestens zur Schließung eigener Schreibkraft-Lücken.
Friederike Hermann (Hrsg.), Unter Druck. Die journalistische Textwerkstatt. Erfahrungen, Analysen, Übungen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2006, 212 S., Br. EUR 19,90, ISBN 978-3531-142234
Es wäre sicher eine gute Idee, den Verlag mit einem besseren Vorschlag zu beglücken.
Ist das Buch auch in diesem abstoßenden Deutsch mit Binnen-I und "frau" statt "man" verfasst?