Was es braucht, um eine Ausnahme-Spielerin zu werden, verrät anlässlich der Fußball-EM der Frauen eine inzwischen berühmte Torhüterin in diesen (fraglos fiktiven) Mitteilungen über eine frühe Initiationserfahrung: Den Schlüssel zum Spiel ihres Lebens fand sie als Mädchen zufällig im Staub eines heißen Sommertages. Diese kleine Besinnung verweist beispielhaft auf die oft schwierigsten Startkonditionen besonderer Karrieren.
Die Verwechslung: Bekenntnisse einer bekannten Torhüterin
Ich war nie irgendjemandes Typ. Ich erinner’ mich gut an den Moment, als mir das schlagartig klar wurde. Und das ist im Grunde auch gut so, weil mich das vollkommen unabhängig gemacht hat und zu der, die ich heute bin.
Begonnen hat alles mit einer kleinen Begebenheit an einem ganz gewöhnlichen Sonntagnachmittag. Wie immer stand ich gegen eins vor unserer Dorfkneipe und wartete auf meinen Vater, um mit ihm zum Sportplatz zu gehen. Dabei verfolgte ich den Anflug einer Brieftaube auf das Dach des Hauses gegenüber.
Mit ihrer sanften Landung spürte ich die säuselnde Süße einer mir sehr angenehmen Schwingung näher kommen. Als Stimme, die sich mir mit nur einem Satz offenbarte, den sie jedoch ständig zu wiederholen schien: „Mama, da kuck doch bloß, warum sieht der Junge da so furchtbar hässlich aus?“
Ganz langsam sah ich vom Dach und der Taube runter direkt in das Gesicht des kleinen Mädchens, das – etwas jünger als ich – noch immer angewidert zu mir rüberstarrte, während seine Mutter mit ihm schimpfte und es eilig nach sich zog und mit ihm die Straße hinunter aus meinem Blick verschwand.
Sein lichter Lockenschopf gehörte vermutlich einem kleinen Engel, der sich aus irgend einem mir unerfindlichen Grund auf unseren sommerlich staubigen Marktplatz verirrt hatte. Und – darüber verärgert – der Erstbesten eins drübergab. Obwohl, es tat gar nicht weh, eher war es wie ein leiser Blitz, der mich durchfuhr und erst später langsam glühen machte.
Jedoch schon im Augenblick verstand ich alles: Warum ich immer allein gewesen war, warum nie jemand mit mir spielen wollte, warum ich immer vor der Kneipe auf meinen Vater warten musste und warum andere Mütter mit ihren Kindern spazieren gingen, meine aber nie mit mir. Ich war die, die keine/r wollte: Kurzgeschorenes Pickelgesicht mit verkniffenem Blick, das nichts blickte.
Bis die Stimme des kleinen Engels mit nur einem Satz den Schleier meiner Unwissenheit zerriss, und ich dahinter die Welt als gigantisches Fußballfeld entdeckte. Dort jubelnde Massen sah und rundum ein Toben hörte, das meine Hände mit sanfter Macht das rasende Rund greifen ließ. Absolut sicher – für mich wie in Zeitlupe – fand der Ball den Weg in meine sehnenden Hände.
In diesem Moment empfand ich das erste Mal in meinem Leben seliges Glück. Und wusste da, ich hatte mein Zuhause gefunden. Meinen Platz im Leben. Das Spielfeld als Bestimmung und das Tor als meine Heimat. Und da ich es einmal gesehen hatte, stand der erfolgreiche Weg vom Dorfspielplatz bis in die oberste Liga für mich außer Frage.
Wie benommen sann ich dem Mädchen noch eine Weile nach, das mich unwiderruflich in ein neues Leben geworfen hatte. Mit seinem säuselnden Satz mich mächtig aus der Reserve gelockt und aufs offene Spielfeld geschubst hatte.
Und da ich weder Mädchen noch Mutter je wiedersah, bin ich noch heute sicher, dass der Himmel seine Finger mit im Spiel hatte: als Fata Morgana, die sich in der Mittagshitze eines einsamen Sonntags auf unserem alten Marktplatz zu mir gesellt hatte.
Hinweise:
Ein Paradox
Unverhofft befindet sich unsere Protagonistin in einem paradoxen Zustand: Für einen Augenblick ist sie wie außer sich und doch zutiefst bei sich. Ein Zustand, der ihr eine grundlegend neue Perspektive eröffnet. Das Ziel meiner Arbeit mit DreamGuidance ist es, solche Augenblicke im Coaching methodisch zu begünstigen. In meinem aktuellen Buch zum Coaching (Download kostenlos!) mit dieser Methode berücksichtige ich zahlreiche Klienten-Berichte, die über ihre Erfahrungen mit Phänomenen dieser Art sowie deren Auswirkungen auf ihre Karriere berichten. Mehr dazu siehe auch Coaching-Blogger >Themen >Fallgeschichten.
Eine Inspiration: Die Autorin fühlte sich durch ein Zitat von Sepp Herberger zu ihrem Text inspiriert: „Die Außenseiterrolle ist der Schlüssel für die Schatzkammer unermesslicher Kräfte.“ /// In Anlehnung an "Bekenntnisse eines bekannten Torwarts", veröffentlicht im Coaching-Blogger am 12.06.2010
Drei Literaturtipps:
Zwischen Turnschuh und Stöckelschuh. Die Entwicklung lesbischer Identität im Sport.
Sport und Feminismus: Sport – Kult der Geschlechter
Frauen im Sport: Mädchen bleiben am Ball. Motivationsstrukturen von Mädchen im Teamsport