Kunst als Heilungsimpuls

Joseph Beuys Dies ist nicht der Mann, von dem in diesem Text die Rede ist.


Rüdiger Sünner

Die geheimnisvolle Kunst von Joseph Beuys begleitet mich schon seit früher Jugendzeit, als ich mit 16 Jahren das erste Mal dessen Installation "Das Rudel" in einer Kölner Kunstausstellung sah.

Hier öffnete sich ein neuer Imaginationsraum: Als Heranwachsender spürte ich besonders intensiv die Farben von Einsamkeit, Verwundung, Ausgesetztsein, aber auch von Rettung, Wärme und Geborgenheit. Ganz normale Schlitten, Taschenlampen, Filzdecken, ein alter VW-Bus waren so angeordnet, dass in meinem Kopf ein ganzer Film zu laufen begann.  

Hier schien mir ein Künstler am Werk, der aufgrund eigener körperlicher und seelischer Verletzungen in der Lage war, mit seiner Kunst Heilungsimpulse auszulösen. Das war 1969 ungewöhnlich: Man bewunderte eher die bunte, hedonistisch-ironische Ästhetik eines Robert Rauschenberg, Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg und Andy Warhol.

Auch ich schätzte diese Künstler, aber empfand Beuys demgenüber als wohltuenden Kontrast, der aus einer anderen Welt zu kommen schien: aus dunklen Wäldern, verschneiten Steppen, aus einer tiefen Verbundenheit mit Pflanze und Tier, aus spirituellen Traditionen der Mythologie, des Schamanismus, der romantischen Naturphilosophie.

Beuys entnahm diesen Strömungen, zu denen auch Rudolf Steiners Anthroposophie gehört, nicht einfach nur Bildmotive für seine Kunst. Er glaubte – wie sie – ebenso an eine Welt geistiger Kräfte hinter der sichtbaren Oberfläche.

Seit seiner Kindheit war er vertraut mit der Tatsache, dass eine Sonnenblume, eine Biene, eine Eiche oder ein Hirsch nicht einfach nur aus Molekülen zusammengesetzte Organismen sind, sondern wundersame Verkörperungen von Kräften, die man nicht nur rational erfassen kann. Sie rühren uns an, dienen uns als Sinnbilder für Seelisches, was auf eine tiefere Verbindung zwischen unserer inneren und der äusseren Natur hinweist.

Beuys' Kunst konfrontiert uns mit Tieren und Pflanzen als unseren "Aussenorganen", ohne die wir physisch und seelisch nicht leben könnten. So tragen seine Bilder, Aktionen und Rituale in Zeiten zunehmender ökologischer und psychischer Krisen Heilungsimpulse in die Welt:

"Die Bäume sind nicht wichtig, um dieses Leben auf der Erde aufrechtzuerhalten, nein, die Bäume sind wichtig, um die menschliche Seele zu retten. Dieser Spinatökologismus, der interessiert ja nicht … Das einzige, was sich lohnt aufzurichten, ist die menschliche Seele."    

Doch Beuys verneigt sich nicht nur vor Tieren und Pflanzen, sondern auch vor Dingen und Substanzen , die in unserer Wegwerfgesellschaft als "niedrig", "verbraucht", "wertlos", und "abstossend" gelten.    

Auf seine Arbeit passt der alte Alchemistenspruch: "Schätze die Asche nicht gering, denn sie ist das Diadem deines Herzens." Bis heute fühlen sich viele Menschen dadurch provoziert, dass dieser Künstler auch Fett, Filz, Tierschädel, alte Fundstücke aus Kellern und Rumpelkammern, Verblichenes und Verrostetes in sein Werk mit einbezieht.

Indem er diese "verworfenen" Materialien neu gruppiert, haucht er ihnen wieder ihre verlorene Würde ein und lehrt uns damit, auch unser "Niedrigstes" und "Verbrauchtes" zu akzeptieren. Ein konkreter Recycling-Akt, der zu einer therapeutischen Erfahrung werden kann.     

Der Film und das Buch "Zeige deine Wunde" nehmen uns mit auf eine Reise zum "verwundeten Heiler" Beuys, zu Orten und Landschaften seiner Kindheit sowie nach Irland und Schottland, wo er wichtige Impulse durch die keltische Kultur empfing.

Vor allem aber zu seinen Hauptwerken, die gerade in unserer auf Effizienz und ökonomische Verwertbarkeit ausgerichteten Zeit erneut zu Objekten der Meditation werden können. 

Quelle: www.ruedigersuenner.de

 

 


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