Coaching, das gelingen will, braucht Zeit

Thomas Gesterkamp:

Coaching: Karriere im Schlaf. Kölner Trainerin nutzt Intuition und Traumwissen als verborgenes Potential

„Rein kognitiv ausgerichtete Lösungswege werden der komplexen Wirklichkeit nicht gerecht“, sagt Birgitt E. Morrien. Mit Hilfe von Träumen will die Kölner Management-Trainerin verschüttete Kreativität wieder beleben. „DreamGuidance“ nennt die 43-jährige Kommunikationswissenschaftlerin ihre Methode. Träume, so glaubt sie, binden „gegenüber dem so genannten Wachzustand eine viermal größere Gehirnaktivität als Ressource“.
Eine Art Psychoanalyse im Schnelldurchgang also? Morrien geht davon aus, dass die bewusste Wahrnehmung nur einen kleinen Teil der Realität abbildet. Die Coaching-Expertin verweist auf wissenschaftliche Studien, die belegen, dass der Mensch tagsüber nur zehn Prozent seiner Denkkapazität abruft – im Traum sind es immerhin vierzig Prozent.

„Rein kognitiv ausgerichtete Lösungswege werden der komplexen Wirklichkeit nicht gerecht“, sagt Birgitt E. Morrien. Mit Hilfe von Träumen will die Kölner Management-Beraterin verschüttete Kreativität wieder beleben. „DreamGuidance“ nennt die 43-jährige Kommunikationswissenschaftlerin ihre Methode. Träume, so glaubt sie, binden „gegenüber dem so genannten Wachzustand eine viermal größere Gehirnaktivität als Ressource“. Eine Art Psychoanalyse im Schnelldurchgang also? Morrien geht davon aus, dass die bewusste Wahrnehmung nur einen kleinen Teil der Realität abbildet. Die Coaching-Expertin verweist auf wissenschaftliche Studien, die belegen, dass der Mensch tagsüber nur zehn Prozent seiner Denkkapazität abruft – im Traum sind es immerhin vierzig Prozent.

„DreamGuidance“ will Unbewusstes planmäßig nutzbar machen, das „verborgene Intelligenzpotential“ jenseits von rationalen Zugängen aktivieren. Wirtschaftlicher Erfolg basiert für Morrien nicht nur auf Logik, sondern auch auf der Fähigkeit, intuitiv Zusammenhänge zu erfassen und Entscheidungen zu treffen. Neben dem Sichtbaren und Beweisbaren müsse das Denken und Handeln von Führungskräften auch versteckte Ahnungen oder Gefühle einbeziehen. „Träume verknüpfen Bekanntes immer neu“, meint die Trainerin, die vor allem Mitarbeiter in Medienfirmen berät. Mit ihrem Konzept will sie „lineares Denken überwinden und unverhoffte Perspektiven entwickeln“.

Ausgetretene Wege verlassen, gewohnte Sichtweisen aufgeben – die Berater-Rhetorik der Management-Gurus strotzt nur so vor Allgemeinplätzen. Für Morriens Ansatz spricht, dass sie ihren Klienten keine platten Ratschläge erteilt. In Einzelsitzungen und mehrtägigen Gruppenseminaren nutzt sie vor allem gestalttherapeutische Verfahren wie Malen und Assoziieren. Überraschungseier, Pfeifenputzer oder Knetmasse dienen dabei als Hilfsmittel. Am Anfang eines individuellen Termins stehen die Rekonstruktion des persönlichen Werdegangs sowie eine systematische „Positionsanalyse“ im professionellen Umfeld.

Anschließend soll die von Morrien so bezeichnete „P/Review-Technik“ ermöglichen, sich in künftige biografische Phasen hineinzuversetzen. Der Klient wählt ein imaginäres Alter, das noch weit vor ihm liegt, und schaut von diesem Punkt aus zurück auf seinen Werdegang. Als Ergebnis ihrer Arbeit verspricht die Trainerin zielsichere Unterstützung vor allem in beruflichen Umbruchsituationen. Dank gewachsener innerer Souveränität durch „DreamGuidance“ sollen Konflikte schneller gelöst, Probleme leichter aufgespürt und Perspektiven greifbar werden.

Dass dieser Ansatz gleich mit einem urheberrechtlich geschützten neuen Label versehen wird, hat weniger mit seinen Inhalten als mit der großen Konkurrenz in der Supervisions- und Beratungsszene zu tun. Auf Morriens Referenzenliste stehen Firmen wie RTL und Siemens ebenso wie Management-Akademien, Behörden, Kirchen und Verbände. In jüngster Zeit kooperiert die Coaching-Expertin auch mit dem Kölner Agentur für Arbeit.

Denn die in Köln lange Zeit boomende Medienbranche steckt in der Krise: Ähnlich wie in München ist die Zahl der erwerbslos Gemeldeten in publizistischen Berufen deutlich gestiegen, auch für viele Freiberufler hat sich die Auftragslage deutlich verschlechtert. Gerade jüngere Mitarbeiter um die 30 Jahre sind das erste Mal in ihrer Berufslaufbahn damit konfrontiert, dass ihnen etwas nicht einfach in den Schoß fällt. Sie bilden einen Großteil der Klientel von Birgitt Morrien.

In wirtschaftlich schlechten Zeiten wächst der Bedarf nach individuellem Coaching, Selbstmanagement und persönlicher Biografieplanung. Umorientierung und Selbstreflexion stehen an – vor diesem Hintergrund hat das Arbeitsamt in Köln ein Pilotprojekt für Kommunikations- und Medienschaffende gestartet. Durch „mentale Navigation“, wie Birgitt Morrien es nennt, sollen Erwerbslose aus ihrer Situation herausfinden. Ob „DreamGuidance“ dafür die richtige Methode darstellt, muss sich erst noch zeigen. Wirksamkeit und Erfolg des Verfahrens werden derzeit in einem Forschungsprojekt an der Universität Köln wissenschaftlich untersucht.

Viele der von Kündigung oder gesellschaftlichem Wandel Betroffenen haben berufsbegleitende Beratung nötig – doch die wenigsten können sie sich finanziell erlauben. Die Arbeitsverwaltung kann bestenfalls eine Art Schnupperkurs anbieten. Berater und Trainer, die ihre Coaching-Methode als ultimativen Schlüssel zum Erfolg anpreisen, unterschätzen allzu häufig die Zähigkeit struktureller Probleme am Arbeitsplatz. Der Ausweg aus einem beruflichen Dilemma aber braucht Zeit und findet sich selten im Crashkurs.

Quelle: Süddeutsche Zeitung, 18.3.2003 (Archiv)

 

 

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Der Autor

Dr. Thomas Gesterkamp (Jg. 1957) ist Journalist und Buchautor. Er lebt in Köln und ist Vater einer Tochter. Gesterkamp schreibt Beiträge für Hörfunk, Tages- und Wochenzeitungen sowie Artikel in Sammelbänden und Fachzeitschriften. Er arbeitet zudem als Referent, Hochschuldozent, Moderator und in der Weiterbildung.
Kontakt

E-Mail: thomas.gesterkamp@t-online.de

 

 

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