Internationalisierung des Coachings / 4.0

Alles eine Frage der Perspektive

Dipl.rer.com. Birgitt E. Morrien M.Sc./USA beantwortet als Senior Coach DBVC Fragen des Deutschen Bundesverbandes Coaching.

Erwarten Ihre Kunden heute, dass Sie Ihre Dienste in einem anderen Land, in einer anderen Sprache, in einer anderen Kultur anbieten?
Ja, es wird noch stärker als früher von mir erwartet, bei Bedarf auch im Ausland zu beraten. Aus Kostengründen coache ich jedoch vielfach Klienten via Skype bei ihren Einsätzen im Ausland. Das hat sich durchaus als probates Medium erwiesen, zumindest in der Arbeit mit jenen Klient*innen, die ich bereits persönlich kenne. Einen singapurischen Unternehmer habe ich bereits durchgängig im Skype-Coaching begleitet, was (entgegen meiner vorherigen Erwartung) hervorragend funktioniert hat.

Erwarten Ihre Kunden von Ihnen die Mitgliedschaft in einem internationalen Coaching-Verbund?
Bisher nicht, vielmehr wurde die Beratungskompetenz der Berater*innen eher als gegeben vorausgesetzt und insbesondere Feldkompetenz erwartet: Kenntnisse/Führungserfahrungen im Bereich der internationalen Kommunikations- und Medienwirtschaft. Ferner ein hohes Maß an Kreativität, um in einer Branche inspirierend wirken zu können, die sich aus Tradition der Innovation verschrieben hat.

In letzter Zeit beobachte ich insbesondere bei den etablierten Sendern als Auftraggebern, dass sich das Anforderungsprofil an uns Berater*innen seitens der Kunden ändert/professionalisiert. Der akademische Grad plus Feldkompetenz reicht (Gott sei Dank!) nicht mehr, um sich auch als Beratungsexpertin zu profilieren. Hier gilt mein Senior-Status im DBVC durchaus als zusätzliches Gütesiegel, was mich sehr freut.

Benötigt der DBVC neue Standards, um international anerkannt zu werden, oder bilden unsere heutigen Standards die passende Basis dazu?
Ich denke, dass es sinnvoll ist, wenn sich ein Verband wie der DBVC, der ja durchaus einen Führungsanspruch im Markt formuliert, mit dem Thema Standards hinsichtlich der Internationalisierung initiativ befasst. Insofern begrüße ich Ihre Initiative sehr! Klassischerweise wird zwar bisher per Empfehlung beauftragt in meiner Branche. Bei mir etwa, da ich aus der Medienwirtschaft komme und man mich dort seit mehr als 20 Jahren kennt. Sicher sind aber auch andere DBVC-Kolleg*innen fähig, Coachings, wie ich sie durchführe, im internationalen Setting zu übernehmen. Um die Tür in die Medienwirtschaft für diese Kolleg*innen zu öffnen, würden u.a. vom DBVC formulierte Standards sicher zukünftig helfen.

Fühlen Sie sich wohl und gewappnet, um einen Business-Coachee in einer anderen Sprache/aus einer anderen Kultur zu coachen?
Da ich an der Boston University Mass Communications studiert habe mit Studienschwerpunkt Satellite Communications, kenne ich seither sowohl die Sprache wie auch die Dynamik der (neuen) Medien sehr gut. Vor allem weiß ich aus Erfahrung, dass die Revolutionierung des Business meist aus einer unverhofften Ecke kommt. Als ich 1982 in Cambridge-Nähe am College of Communications studierte, lag ein Fieber in der Luft, das für trendsensible Geister spürbar machte, es naht eine grundlegende technische Veränderung. Satellite Communications würden dabei eine zentrale Rolle spielen, davon war ich überzeugt.

Und tatsächlich bildete die Satellitenkommunikation wenige Jahre später die Grundlage für das WWW. Meine gesamte Coaching-Laufbahn habe ich seit dieser Erfahrung darauf ausgerichtet, durch Forschung und Intuition Trends vorwegzunehmen. Auf der Grundlage meiner ganzheitlichen DreamGuidance-Methode inspiriere ich seither insbesondere Kommunikations- und Medienentscheider*innen. Aktuell gilt es, den eigenen Weg in einer digitalen Welt zu finden und zu gehen. Die zündende Idee liegt immer in Lücken verborgen, in Zwischenräumen, im mentalen Dahinter. Diese Räume für sich erfolgreich zu entdecken, zudem beruflich bzw. wirtschaftlich und persönlich gewinnbringend für sich nutzbar zu machen, darin unterstütze ich seit 20 Jahren international agierende Entscheider*innen auch in englischer Sprache.

Mit kritischer Begeisterung verfolge ich die digitale Entwicklung und berate dazu inzwischen verstärkt auch Akteure aller Branchen, denn die Digitalisierung ist bekanntlich ein übergreifend gesellschaftliches und wirtschaftliches Thema geworden. Beratende Persönlichkeiten, die in diesem Feld hilfreich wirken wollen, brauchen m.E. entsprechende Tools, die es ihnen erlauben, ihre Klientel daran zu schulen, mit dem Unvorhersehbaren sowohl emotional wie kognitiv souverän umzugehen.

Um das zu können, sollten sie selbst die Erfahrung gemacht haben, Risiken eingegangen zu sein, gescheitert zu sein und wieder aufgestanden, noch einmal etwas Neues gewagt und die Herausforderung womöglich erst im zweiten Anlauf erfolgreich bewältigt zu haben. Nur so kann ein Coach als Modell glaubhaft wirken darin, Coachees zu Innovationen in ihrem Business bzw. in ihren Unternehmen voranzutreiben.

Gesprochen für die Medienbranche ist es vor allem diese gelebte Erfahrung, die sie glaubwürdig gegenüber einer sehr anspruchsvollen Klientel macht, die historisch bedingt extrem risikoaffin sein musste. Führende Medieninnovator*innen sind seit jeher nomadisch unterwegs. Sie wanderten und wandern von Projekt zu Projekt, von Unternehmung zu Unternehmung. Die Fragmentierung der Berufsbiografien ist für diese Leute ein klassisches Phänomen. Autodidaktisches Lernen war die längste Zeit die einzige Option, etwas Neues zu lernen, das es bis dahin nicht gab.

Insofern haben Medienakteure per se viel Erfahrung mit einem Phänomen, das die breite Masse erst in den kommenden Jahren dank Web 4.0 flächendeckend erreichen wird: die Auflösung der bekannten Strukturen und die Herausforderung, aus dem, was dann bleibt, etwas vollkommen Neues zu generieren.

Was könnte der DBVC tun, damit seine Business Coaching Standards als international anerkannte Standards gelten?
Der DBVC muss sich vernetzen mit international führenden Theoretiker*innen und Praktiker*innen der Coaching-Branche. Vor allem mit solchen, die selbst disruptive Coaching-Ansätze entwickelt haben und nutzen. Denn alle anderen Konzepte halte ich angesichts der uns ins Haus stehenden Revolution für überholt. Es braucht die federführende Inspiration bereits anerkannter und auch bisher unerkannter mentaler Ketzer*innen, um den DBVC aus einer ängstlichen Lethargie zu befreien, in die sie der Legitimierungsdruck gegenüber klassischen Industriekulturen hineinmanövriert hat. Was in den ersten Jahren der Verbandsgeschichte sinnvoll gewesen sein mag, um Akzeptanz in etablierten Businesskulturen zu erreichen, wirkt jedoch zunehmend hemmend mit Blick auf die notwendige Öffnung für neue Denk- und Handlungskonzepte im Bereich zeitgemäßer Beratung.

Think: Die Revolutionärinnen und Revolutionäre des Digital Business haben sich samt und sonders der Ressource der Leere bedient. Aus nichts was machen, lautet die Devise. Der aggressivste Händler im Markt besitzt kein einziges Lager (Alibaba), der größte Hotelbetreiber kein einziges Hotel (Airbnb) und der erfolgreichste Taxikonzern kein einziges Fahrzeug (Uber). In meinem LETTRE-Contest-Essay „Transgapping oder die poetische Dimension der digitalen Revolution“ beschreibe ich exemplarisch die mentalen Koordinaten, die das neue Jahrhundert prägen werden. Mit meinem Beitrag „Kommunikative unter Druck. Den eigenen Weg finden in digitalen Zeiten“ war ich in diesem Sommer zu Gast auf dem ZukunftsForum der Deutschen Public Relations Gesellschaft zum Thema „Die Trends von heute für morgen denken“.

Welche Kriterien sehen Sie, damit der Verband international erfolgreich anerkannt und tätig wird?

Mein Motto für die digitale Moderne lautet: Einfach sein – Mutig sein – Sozial sein.
 

Wären Sie bereit, ein englisches Profil von sich zu erstellen und in der DBVC-Mitgliederdatenbank zu veröffentlichen?
Hier ist es, bitte gern publizieren.


Was möchten Sie uns noch mitteilen?

Innovation kommt immer vom Rand. Denken Sie nur an die ersten Start-ups der digitalen Ära: Sie gründeten kleine Unternehmen und erfanden eine vollkommen neue Weboption: Meg Hourihan machte den Weg frei für die Weblogs (https://en.wikipedia.org/wiki/Meg_Hourihan). Oder Arianna Huffington: Nachdem sie gefeuert worden war, gründete die griechischstämmige Journalistin in ihrer lieben Not die „Huffington Post“. Zwei Frauen, die außerhalb von Institutionen, die sie getragen oder aber vielleicht auch am freien Denken gehindert hätten, wegweisende Ideen hatten und diese sehr erfolgreich umgesetzt haben — und damit die Entwicklung der Medien maßgeblich mit beeinflussten. Die männlichen Beispiele sind allseits bekannt: Denken wir hier nur an Bill Gates und seine legendäre Garage ;-)

Will sagen: Es ist an der Zeit, dass der DBVC den Blick noch stärker öffnet für wegweisende Möglichkeiten jenseits der Konzerne, jenseits des schon Etablierten, um in jene Zonen vorzudringen, wo das wilde Denken nach dem verwirrend Neuen Ausschau hält, anders als alles bisher Gekannte. Bieten Sie den Newcomern im Beratungsgeschäft die Gelegenheit zu sagen, wie freches Denken geht und was es braucht, neben der Spur zu agieren und mit kleinsten Fingerübungen u.U. große Wirkung zu erzielen. Nur solche Geister können die Beraterbranche inspirieren auf dem Weg in ein Zeitalter holistischen Denkens und Handelns, das in die Zukunft weist.

 

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