Gerhard Kloppenburg/Erk Simon/Sebastian Buggert/Patricia Archut
Gemeinschaftliches Erleben und "Wir"-Gefühl durch Mediennutzung
Quantitative und qualitative Ergebnisse einer Studie in Nordrhein-Westfalen
Auf welche Weise trägt Mediennutzung zum Gemeinschaftsgefühl innerhalb einer Gesellschaft bei? Dieser Frage ging der WDR mit einer Studie in Nordrhein-Westfalen nach. Besonders Fernsehen und Radio sind von ihrer Struktur her bereits Kollektivmedien. Bei gemeinsamen Nutzungssituationen, wie bei Fernsehabenden und beim Radiohören am Arbeitsplatz, können „Wir“-Gefühle entstehen, ebenso wie bei der anschließenden Kommunikation über die Inhalte.
Besonders Sendungen zur Primetime werden in Mehrpersonen-Haushalten häufig zusammen angesehen. Jeder zweite Befragte gibt an, häufig oder gelegentlich Gemeinschaftsgefühle beim Fernsehen (48 %) oder Radio (51 %) zu erleben. Außerdem sehen zwei Drittel der Befragten (66 %) fern, um sich über andere Menschen zu informieren und sich darüber austauschen zu können.
Das Internet trägt hingegen seltener zu einem „Wir“-Gefühl bei, da die Nutzer sich bewusst sind, dass zum Beispiel die Kontakte über soziale Netzwerke nicht dieselbe Tiefe haben wie im realen Alltagsleben. Selbst die onlineaffinen Personen unter 30 Jahren erleben stärker durch Radio- und Fernsehnutzung Gemeinschaftsgefühle als in sozialen Netzwerken. Das Erleben von Gemeinschaft fällt außerdem sehr unterschiedlich aus:
Rund 50 Prozent der Befragten geben an, das Gemeinschaftsgefühl sei sehr stark oder stark, ebenfalls rund 50 Prozent empfinden es als eher schwach bis sehr schwach. Besonders Personen mit formal geringerer Bildung stufen den gesellschaftlichen Zusammenhalt geringer ein. Im qualitativen Teil der Untersuchung wurden tiefenpsychologische Interviews durchgeführt.
Hierbei wurden verschiedene Formen der „Wir“-Gestaltung identifiziert, die von der Intensität des Wunsches nach Zugehörigkeit, auf der anderen Seite aber auch nach individueller Lebensgestaltung geprägt sind: Unsichere Personen mit Scheu vor Konflikten ziehen sich zum Beispiel am ehesten in kleine, Sicherheit vermittelnde Gruppen aus Verwandten oder Freunden zurück, andere engagieren sich ehrenamtlich oder beruflich für die Gesellschaft in kirchlichen Gruppen, für den Umweltschutz oder benachteiligte Bevölkerungsgruppen.
MP 8/2016, S. 374-382 Download Volltext 86 KB, PDF