Vom Fernsehautor zum Seelenschreiber

Als begnadeter Texter Auftragsarbeiten und freies Schreiben zu verbinden, das ist die Kunst. (Foto: Morrien / London 2018)

Rückblende: Stefan Müller berichtet vor einigen Jahren im Coaching-Blogger, wie einem Fernsehautor – gebucht für Unterhaltung, Humor und Comedy – bei der Arbeit, die er doch liebt, gar nicht zum Lachen zumute ist, denn Schreiben bedeutet (Rücken-)Schmerz. Und wie sich dann mit DreamGuidance die Lähmung verflüchtigt, einer aufgeräumten Gegenwart und sorglosen Zukunft weicht.

Der Kölner TV-Autor Stefan Guru Müller erzählt von seiner Ambivalenz zwischen schmerzgeplagtem Industrieschreiber und entspanntem Roman-/Seelenschreiber. Das Coaching half ihm, diese Ambivalenz aufzulösen und sich den Traum an seinem Traum-Job, dem Schreiben, zurückzuerobern, denn er entdeckte, dass er seinen Zielen viel näher war, als er vermutet hatte.

 

Stefan Guru Müller:

Vom Fernsehautor zum Seelenschreiber

Ein humoristischer Schriftsteller ist ein Schreibtischclown.
(Ephraim Kishon)

Eins vorweg: Ich bin aus freien Stücken Autor fürs Fernsehen geworden. Und ich liebe meinen Job! Vor allem, weil er hinter der Kamera stattfindet. Und weil er Menschen zum Lachen bringt.

Mein großer Traum war immer das Schreiben. Vom Schreiben leben zu können kann aber in manchen Phasen auch zum Albtraum werden. Und wer seinen Traum lebt, ist damit nicht automatisch vor dem Burn-out gefeit.

Es gab – in meiner Rückschau – natürlich unzählige gute Gründe, ein Coaching zu absolvieren. Ausschlaggebend war letztlich doch aber ein einziger Grund: Meine Leidensbereitschaft hatte sich schlicht aufgebraucht. Und ohne sie war mein Job nicht länger zu erfüllen. Dachte ich …

 

Schmerz und Komik gehören zusammen, weil der Komiker Sachen erträgt, die jedem anderen wehtun. (Bernd Eilert)

Irgendwie ironisch, wenn man davon überzeugt ist, dass man Witziges nur unter großen Schmerzen „gebären“ kann. Dennoch gehörten die Schmerzen untrennbar zu meiner Tätigkeit. Ich kannte es nicht anders und war mir mit den Jahren nahezu sicher geworden, dass die Schmerzen letztlich eine Quelle meiner Kreativität sein müssten. Schließlich kamen sie immer dann, wenn ich kreativ war. Das konnte doch kein Zufall sein.

Ich nahm sie also hin als eine Art „Investment“ – andere mussten ihrem Chef den Job erklären, andere ihrer Vorgesetzten den Kaffee holen. Ich musste bloß mit meinen Rückenschmerzen leben und durfte mich – als mein eigener Chef – wenigstens selbst erniedrigen.

So weit, so schlecht. Dass es so lange gut ging, hing mit meinem Ausgleich zusammen: dem Romanschreiben. Gut, es war mein Erstling, der da über Jahre in die Tasten gehauen werden wollte. Aber dennoch war mein Romanschreiben mit keinerlei Ängsten verbunden, im Gegenteil: Ich genoss den Prozess so sehr, dass ich die Stunden kaum merkte, die ich mit dem freien Fabulieren verbrachte. Wie auch: Ich spürte ja keinerlei Schmerz. Der kam erst zurück, sobald ich ans berufliche Schreiben ging, sobald Leistung und Qualität von mir gefordert und bemessen wurden, sobald ich Deadlines hatte – und Druck.

Der Schmerz lähmte mich zunehmend, wanderte munter vom Rücken in den Nacken, in die Hüfte, in die Kiefer, Zähne und wieder zurück. Unerträglich. Schlafraubend. Reaktion fordernd. Diese Reaktion kam in Form einer Anzeige im Medienhandbuch. COP – Coaching und Organisation. Bei beiden Wörtern bimmelte es gleich. War das ein Weg? Ein Ausweg? Oder wenigstens ein Umweg?

 

Mit dem Humor ist es wie mit Austern: Eine Perle setzt immer eine kleine Wunde voraus. (William Saroyan)

Wie auch immer – ich hatte beides dringend nötig. Coaching UND Organisation. So beschloss ich, mir Frau Morriens Ansatz in einer Probesitzung erklären zu lassen. Aus Schlagworten wie „P/Review“, „mentale Zeitreise“ oder „DreamGuidance“ wurden plötzlich lebendige Konzepte einer möglichen Veränderung. Meiner Veränderung? Konnte Coaching tatsächlich ein Konzept gegen Rückenschmerzen sein? Wäre das Geld nicht besser in ein paar Massagen und Fangopackungen investiert? Oder einen Thailand-Urlaub? Oder beides gleichzeitig?

Um es kurz zu machen: Ich bin ein Mann. Und so erlag ich dem Charme des Konstruktiven, den Frau Morrien so unglaublich humorvoll transportiert. Ich ließ mich antriggern von der Vorstellung, eine Fantasiereise in die Zukunft zu machen, um dort auf den Stefan zu treffen, der mir aus dem Schatz seiner Erfahrungen den Weg veranschaulicht, den er durchs Leben gewählt hat. Hin zum Glück natürlich – das zu vermuten war ich – selbst zu dieser Zeit – noch hoffnungsvoll genug. Ich sollte mir also von mir selbst ein Bild machen, dieses um 40 Jahre in die Zukunft katapultieren, um von dort aus Rückschau zu halten auf die entscheidenden schönen Momente meines Lebens. Um daraus Rückschlüsse für die Gegenwart zu ziehen und Strategien zu entwickeln, wie ich mein Leben in der Zukunft positiver, schmerzfreier und lebensfroher gestalten kann …

Zuallererst klang das für mich eher nach Spaß als nach Coaching. Fantasie statt Tabellen? Emotionale Vision statt psychologische Planwirtschaft? Okay, das war mein Ding. Ich zappelte am Morrien-Haken. Ein skeptisch aufgeschlossener Fisch mit Grätenschmerzen.

 

Der Humor gewinnt manchmal Schlachten, die Kraft und Vernunft verlieren würden. (Juan Carlos Abellá)

Um es kurz zu machen: Der Köder schmeckt mir immer noch. Nur dass ich jetzt weiß, warum: In einer Handvoll Sitzungen habe ich viel über mein Schreiben gelernt. Über meine Ängste. Und noch mehr über die Quelle meiner Schmerzen. Am eindrucksvollsten war hierbei der von Frau Morrien entwickelte und angeleitete P/Review-Prozess.

Ich muss zugeben: Das war genau das Instrument, weshalb ich mich mit voller Überzeugung auf das Coaching einließ: Die Fantasiereise durch mein Leben hatte es mir angetan. Ich bin von Natur aus ebenso neugierig wie ängstlich. Mit entsprechendem Respekt nahm ich meinen Platz auf dem Praxissofa ein. Doch schon mit den ersten einleitenden Worten meiner Fantasiereiseleiterin konnte ich auf Autopilot switchen. Und die Bedenken blieben am Boden zurück.

Der Flug gestaltete sich erfreulich unturbulent. Frau Morriens Stimme lenkte mich durch die Zeit und ließ mich in 7-Jahres-Schritten durch meine Erinnerung fliegen. Sammelte mit mir Glücksmomente. Ließ mir Zeit, die Erinnerung zu genießen. Und sammelte mich wieder ein, um den nächsten Moment zu finden und auszukosten. Gerade war ich noch ein 80-jähriger Mann, der, mit dem Leben ausgesöhnt, auf die schönsten, einprägsamsten Stationen der letzten Jahrzehnte zurückblicken wollte. Im nächsten Moment sprang ich schon als 6-Jähriger durch dänische Dünen und genoss meine heile Familie, die tobte und lachte, als ob es kein Morgen gäbe. Weiter ging’s zu meinem 12. Geburtstag, den ich ohne Mutter, dafür aber mit einer ganzen Schulklasse voller Freunde feierte. Ich schoss auf einer Sektwelle durch die Abiturfeier, genoss den väterlichen Abschied meines Uni-Professors und viele weitere, viel zu lange unerinnerte Momente des Glücks – um plötzlich in der erstaunlich aufgeräumten Gegenwart anzukommen. Und in weiteren 7-Jahres-Schritten eine intensive und überraschend angstarme Zukunft zu überfliegen.

Ich sah mich Romane produzieren, ein eigenes Haus auf dem Land beziehen. Ich sah mich – endlich mit einem eigenen Hund – die Wälder erkunden, wurde an meinem 60. Geburtstag von meiner Frau mit einer Grillparty überrascht und schwamm noch als knapp 80-Jähriger allmorgendlich meine Bahnen. Vielleicht nicht mehr ganz so kraftvoll. Aber vital, pulsierend, verliebt.

In der anschließenden Analyse war ich weniger überrascht von der Detailfreude der einzelnen Bilder. Vielmehr hatte es mir die Klarheit des Zukünftigen angetan. Das waren meine möglichen Ziele? Das waren die damit verbundenen Gefühle? Wovor hatte ich Angst? Aus welcher überholungsbedürftigen Quelle speisten sich meine Sorgen? Und wo zur Hölle waren die ganzen Schmerzen?!

Es war eindrucksvoll, von Frau Morrien wieder sanft auf den Boden der Tatsachen gelotst zu werden. Eindrucksvoll vor allem deshalb, weil ich auf dem Boden erkannte, wie niedrig ich geflogen war. Und wie nah ich meinen möglichen Zukunftszielen in der Gegenwart bereits gekommen war. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft waren auf einer einzigen Reise fassbar geworden. Hatten sich verdeutlicht. Und waren plötzlich so schlüssig, hatten aufeinander aufgebaut und waren so homogen auseinander hervorgegangen, dass mir nur ein Fazit blieb: Die Vergangenheit hatte sich in logischen Schritten zur Gegenwart entwickelt, dass es ein Leichtes – oder doch wenigstens ein zu Bewältigendes – sein müsste, ebenso logisch auch die Zukunft anzugehen. Und für dieses Ziel gingen wir im nächsten Coachingschritt die Strategie an. Fröhlich, mutvoll, erleichtert.

Die Gegenwart hatte ich ja bereits „geschafft“ – und im Überblick schien sie mir um so vieles erstrebenswerter, erfolgreicher, glücklicher. Das war ich? Das war mein Weg? Dornröschen konnte nicht beeindruckter wachgeküsst worden sein. Endlich war ich in der Situation, die ich doch eigentlich für mein Ziel gehalten hatte: Ich war zufrieden und zuversichtlich. In der Gegenwart.

 

Humor lässt den Schmerz nicht verschwinden. Aber er macht den Raum drum herum größer. (Allen Klein)

Nach der DreamGuidance-Sitzung war ich noch skeptisch. Was, wenn sich dieses Gefühl über Nacht verflüchtigen würde? Was, wenn die Klarheit sich wieder eintrüben, die Scheuklappen zurückschnappen würden? Doch die Eindrücke hielten an – und halten bis jetzt. Wann immer ich will, kann ich in 16:9, Multicolor, Dolby Surround über diese Bilder hinwegfliegen. Wann immer ich will, komme ich in der Gegenwart an und genieße meinen Erfolg. Weil ich gelernt habe, ihn überhaupt wahrzunehmen. Und nicht bloß abzuhaken als „unbedeutendes Etappenziel“, über das ich kompromisslos hinwegmarschiere auf dem Weg zum „richtigen“, zum „ultimativen“, zum „Endlich merkt die Welt, was für ein unfassbar großartiger Universal-Supertyp ich bin“-Erfolg.

Ich habe stattdessen gelernt, meine Stärken und Talente mit meinen Schwächen und Optimierungsmöglichkeiten zu verbinden. Und daraus meine kreative Spannung zu holen. Dass dadurch die Rückenschmerzen verschwunden sind, ist natürlich ein süßlich-romantisches Märchen. Stimmt aber im Effekt trotzdem. Die Ursachen für meinen Schmerzverlust sind sicherlich zahlreich. Ich schreibe mit sehr viel mehr Selbstvertrauen. Und Spaß. Und ich bleibe trotz projektbedingter Höchstspannung locker. Okay, ich übertreibe: lockerER!

Die kreativen Lockerungstechniken habe ich mir während des Coachingprozesses durch Rollenspiele erarbeitet. So durfte ich beispielsweise gleich zweimal in der Morrien-Talkshow auftreten: einmal als der schmerzgeplagte Industrieschreiber aus dem Scherzbergwerk. Einmal als der entspannte, der freie, der hobbymäßige Seelenschreiber. Beide Autoren berichteten aus ihrer Perspektive über ihre Tätigkeit, über Spaß und Befriedigung, über Aufwand und Effekt, über Schmerz und Genuss. Über Selbstbewusstsein und Selbstwert. Ein einfaches Rollenspiel – und gleichzeitig eine so umfassend erhellende Gegenüberstellung meiner beiden Autorenpersönlichkeiten, dass es einem von außen fast vorkommen musste wie eine multiple Persönlichkeitsspaltung. Doch „von außen“ beobachtete nur Frau Morrien mit dem ihr so eigenen wachen, analytischen, empathischen und vor allem konstruktiven Blick.

Sie sorgte schließlich auch für den entscheidenden Impuls in diesem Rollenspiel: Der so viel jüngere, naivere „Seelenschreiber“ durfte dem alten, ebenso erfahrenen wie festgefahrenen Fernsehschreiber Tipps geben, wie er seinen Arbeitsalltag gelockerter, zielstrebiger und effektiver gestalten könnte. Und genau dieser Effekt ist eingetreten. Ich will nicht leugnen, dass ich noch heute in vielen Momenten extrem angespannt schreibe, wenn es auf eine Deadline zugeht. Die Anspannung stellt sich jedoch maximal ein, zwei Tage vor Abgabe ein. Und nicht mehr beim Startschuss oder sogar noch davor, wie es früher oft der Fall war.

 

Humor ist überwundenes Leiden an der Welt.
(Jean Paul)

Dieses und andere Rollenspiele haben mir für mich nicht Offensichtliches entschlüsselt. In Gefühlen und Bildern, die ich sofort verinnerlichen konnte. Rollenspiele funktionieren bei mir offensichtlich auf so wunderbar einfache Weise, weil sie nicht meinen eseligen Verstand adressieren, sondern meine Emotion und meine Intuition. Eine Technik, die ich seitdem übrigens auch verstärkt für meine Arbeit mit fiktionalen Charakteren anwende.

Außerdem gehe ich endlich wieder regelmäßig schwimmen. „Okay“, hör ich da den orthopädisch versierten Skeptiker sagen, „DAS ist also der wahre Grund für den mirakulösen Schmerzverlust dieses Coachingjüngers: Schwimmen lockert den Schultergürtel und ist gut für Gelenke und Wirbelsäule …“ Aber DAS wusste ich auch schon vor dem Coaching. Nur Zeit hab ich mir für diese Binsenweisheit nie genommen.

Seitdem ich auch in dieser Hinsicht schlauer UND besser organisiert bin, hab ich mir den „Traum“ an meinem „Traum-Job“ zurückerkämpft. Ich schreibe deswegen nicht zwingend besser – aber ich fühle mich besser dabei. Und das ist deutlich mehr, als ich mir vor meiner „DreamGuidance“-Erfahrung erträumt habe.

Dafür vielen Dank an Frau Morrien!

PS: Ein weiterer toller Erfolg: Den bösartigen Vorwurf meiner Frau bezüglich der Wehleidigkeit von Männern konnte ich vielleicht nicht entkräften. Aber die „Beratungsresistenz“ musste sie zurücknehmen. Ha!

 

Der Ausnahmeautor

Stefan Müller, ein sympathischer TV-Autor aus Köln, bekannt als Teil des Autorengespanns „antagonisten“ eckermann & müller, hat sich durch diverse TV-Formate wie die „heute-show“ und „Schlag den Raab“ einen Namen gemacht. Mit seinem Solo-Debüt „Pimmelburg“ wagt er sich an ernste Themen wie Erwachsenwerden und Verlust, erzählt jedoch stets mit ironischem Blick und viel Witz.

Kontakt: Stefan Müller, antagonisten – bücher zum hören & sehen, mueller@antagonisten.de

 

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