Das Digital Transformer’s Dilemma
Wie Sie Ihr Kerngeschäft digitalisieren und gleichzeitig innovative Geschäftsmodelle aufbauen
Karolin Frankenberger, Hannah Mayer, Andreas Reiter und Markus Schmidt
Wiley-VCH, 2021
Rezension
Bei der digitalen Transformation müssen traditionelle Unternehmen zwei Aufgaben gleichzeitig meistern: Es gilt, das Kerngeschäft zu digitalisieren, um die aktuelle Marktstellung zu schützen. Parallel dazu müssen sie in Start-up-Manier disruptive Geschäftsmodelle auf den Weg bringen, um die Zukunft zu sichern. Den wenigsten gelingt das. Neuveröffentlichung liefert einen innovativen, empirisch breit abgestützten Managementleitfaden zur digitalen Transformation etablierter Unternehmen.
Zusammenfassung (Exzerpt)
Das „Digital Transformer’s Dilemma“ besteht darin, gleichzeitig das Kerngeschäft zu digitalisieren und disruptive Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Etablierte Unternehmen stehen vor einer doppelten Herausforderung. Sie müssen zum einen ihr Kerngeschäft schützen und durch Digitalisierung die Profitabilität sichern. Im besten Fall bringt das auch noch zusätzliches Wachstum. Zum anderen müssen sie disruptive Geschäftsmodelle entwickeln, um zukunftsfähig zu sein.
Der Handlungsdruck ist hoch, denn Bedrohungen kommen aus mehreren Richtungen. Tech-Giganten verfügen über Ressourcen, ganze Märkte aufzurollen. Daneben ist jederzeit mit Start-ups zu rechnen, die mit innovativen Modellen das Geschäft der Etablierten angreifen. Und die Wettbewerber können sich ebenfalls jederzeit neu erfinden.
Ein dualer Geschäftsansatz ist die einzige Chance für Unternehmen, die Industrie zu revolutionieren, bevor sie selbst zum Opfer einer Revolution werden.
Das „Digital Transformer’s Dilemma“ traditioneller Unternehmen besteht folglich darin, dass sie die digitale Transformation auf zwei unterschiedlichen Feldern gleichzeitig bewältigen müssen.
Es gilt, zwei S-Kurven im Auge zu behalten: Die erste S-Kurve steht für die Entwicklung der Ertragskraft im Stammgeschäft. Die zweite S-Kurve symbolisiert das Wachstum des neuen disruptiven Digitalgeschäfts. Wer beide Kurven gleichzeitig erfolgreich managen kann, löst das Dilemma.
Das gelingt im Moment aber nur 16 Prozent der Unternehmen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Unternehmen schätzen Dringlichkeit, Umfang und Tiefe der Veränderung falsch ein. Sie sind damit überfordert, strategische Fragen zufriedenstellend zu beantworten. Nicht zuletzt spielen Selbstgefälligkeit und Angst eine Rolle.
Sie brauchen eine Digitalstrategie, die beide Bereiche verbindet.
Digitale Transformation funktioniert nur mit der richtigen Strategie. Diese sollte auf drei Säulen beruhen.
Erste Säule: Richten Sie Ihr Kerngeschäft so aus, dass Digitalisierungseffekte Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit steigern. Wenn die Digitalisierung hier neue Produkte und Leistungen ermöglicht, sollten Sie diese Wachstumsreserven unbedingt erschließen.
Die zweite strategische Säule ist das disruptive Digitalgeschäft, der künftige Wachstumsmotor des Unternehmens.
Als Drittes brauchen Sie eine strategische Klammer, die Kerngeschäft und disruptives Digitalgeschäft miteinander verbindet. Diese übergreifende Digitalstrategie ist unter anderem deshalb wichtig, damit Sie schnell Lösungen für entstehende Konflikte finden.
So kann zum Beispiel die Frage im Raum stehen, ob es für das Unternehmen sinnvoll ist, sein Kerngeschäft zu kannibalisieren, bevor andere es tun. Je näher das neue digitale Geschäftsmodell am Kerngeschäft liegt, desto höher ist das interne Konfliktpotenzial. Hier muss das Management besonders aufmerksam sein. Synergien entstehen selten von allein.
Die Suche nach neuen digitalen Geschäftsmodellen beginnt immer mit einer präzisen Analyse.
Der Zweck der digitalen Transformation besteht darin, durch innovative Geschäftsmodelle Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Ein Geschäftsmodell hat immer vier Dimensionen: den Kunden, das Nutzenversprechen, die Wertschöpfungskette und das Ertragsmodell. 90 Prozent aller Geschäftsmodellinnovationen gehen aus der Rekombination bereits bestehender Modelle hervor. Diese lassen sich auf etwa 55 Grundmuster zurückführen. Für die systematische Suche nach neuen Ansätzen gibt es inzwischen bewährte Werkzeuge und Frameworks wie den Business Model Canvas, die Blue Ocean Strategy oder den Business Model Navigator.
Beginnen Sie den Prozess mit einer 360-Grad-Analyse, in der Sie das Unternehmensumfeld unter die Lupe nehmen, einschließlich der Wettbewerber, Kunden, Partner und anderer relevanter Faktoren wie Technologietrends. Außerdem sollten Sie in dieser Phase Ihr bestehendes Geschäftsmodell mit all seinen Stärken und Schwächen präzise beschreiben. Oft ergibt sich gerade daraus die Inspiration für neue Ideen und Herangehensweisen. (…)
Die digitale Transformation erfordert organisatorische Veränderungen und eine starke Vernetzung des Unternehmens. (…)
Sorgen Sie dafür, dass Sie jederzeit relevante Technologietrends auf dem Radar haben. (…)
Trimmen Sie wichtige Prozesse auf Start-up-Geschwindigkeit. (…)
Bringen Sie unterschiedliche Führungsstile unter einen Hut.
Die digitale Transformation gelingt, wenn Sie auf beiden S-Kurven Erfolg haben. Dafür brauchen Sie unterschiedliche Führungsstile. Führungskräfte, die aus dem Kerngeschäft kommen, fokussieren sich auf Effizienz und Produktivität, vermeiden Misserfolge, perfektionieren Abläufe und vertrauen auf Hierarchien. Erfolg auf der zweiten S-Kurve haben dagegen Führungskräfte, die ihr Team begeistern und die eher auf Netzwerke als auf Hierarchien setzen. Dieser Führungsstil wirkt attraktiv auf Talente.
Flankieren Sie die Transformation durch eine strategische Personalplanung.
Der Faktor Mensch ist für den Erfolg der digitalen Transformation entscheidend. Sie brauchen Mitarbeiter, die mutig und offen sind – und die bereit sind, sich neue Fähigkeiten und Kenntnisse anzueignen. Ermitteln Sie über eine strategische Personalplanung den künftigen Bedarf. Um diesen zu decken, haben Sie folgende Möglichkeiten:
• Fortbildung (und Coaching, Anmerkg. der Blogredaktion): Entwickeln Sie ein Fortbildungsprogramm, mit dessen Hilfe Ihre Mitarbeiter neue Kompetenzen erwerben können. Das geht intern oder mithilfe eines externen Partners. Zertifizieren Sie die erworbenen Fähigkeiten.
• Rekrutierung: Ermuntern Sie Ihre Mitarbeiter, Ihr Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber zu empfehlen. Gehen Sie auch unkonventionelle Wege und suchen Sie in Fachforen gezielt nach geeigneten Kandidaten.
• Ausleihe: Nehmen Sie Fachkräfte zeitlich befristet unter Vertrag, um Engpässe zu überbrücken. Wenn Sie mit Universitäten kooperieren, haben Sie leichter Zugang zu Nachwuchstalenten.
• Umbau: Passen Sie die Aufgabenprofile Ihrer Mitarbeiter an die geänderten Anforderungen an. Setzen Sie Mitarbeiter eventuell auch an anderen Stellen ein und reorganisieren Sie Arbeitsprozesse. Reduzieren Sie dort, wo es möglich ist, das Arbeitspensum, um Ressourcen für die Bewältigung neuer Aufgaben freizusetzen.
Die Attraktivität eines Arbeitgebers hängt maßgeblich von den Entwicklungschancen ab, die er seinen Beschäftigten bietet. Kommunizieren Sie offensiv interne Karrierepfade, Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten.
Die digitale Transformation benötigt ein Update der Unternehmenskultur.
Um den Erfolg der digitalen Transformation zu messen, brauchen Sie für Kerngeschäft und neue Geschäftsbereiche unterschiedliche KPIs (Key Performance Indicators bzw. Leistungskennzahlen).
Quelle: Zusammenfassung bereitgestellt von getabstract
Über die Autorinnen und Autoren
Karolin Frankenberger ist Direktorin des Instituts für Betriebswirtschaft und akademische Direktorin des Executive MBA an der Universität St. Gallen. Hannah Mayer promovierte in St. Gallen zu digitaler Transformation und Plattform-Ökosystemen. Sie forscht zu AI-basierten Geschäftsmodellen. Andreas Reiter promoviert an der Universität St. Gallen. Zuvor beriet er Unternehmen aus der Finanzbranche zu Digitalisierungsthemen. Markus Schmidt ist CEO und Gründer von QSID Digital Advisory.
Webinar mit Karolin Frankenberger: The Digital Transformer’s Dilemma
HSG Spotlight – Digitale Transformation mit Prof. Dr. Karolin Frankenberger
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