Den Dingen Zeit geben, sich zu entwickeln

Zuwarten (Foto: Roland Brus / Motiv, Konzeptidee + Bilddesign: Morrien)

Etwas geschehen lassen und darauf vertrauen, dass es geschieht. Davon handelt der heutige Beitrag eines berühmten Dichters, heute von Not.

Für Gertrude Stein, die berühmte amerikanische Schriftstellerin, war die Frage selbst die Antwort, sofern es keine Antwort gab. Für Rainer Maria Rilke gilt das Credo der getrosten  Gelassenheit, die sich den Zyklen der Schöpfung anvertraut. Vor einem solchen Hintergrund lässt sich vieles wagen, auch Neues, das noch keine Erfolgsgarantie hat. Ein Abenteuer, das auf die Erfahrung der eigenen Wirksamkeit angelegt ist. Unbedingt.

 

Man muss den Dingen

die eigene stille ungestörte Entwicklung lassen

die tief von Innen kommt

und durch nichts gedrängt und beschleunigt werden kann.

Alles ist auszutragen und dann zu gebären.

Reifen wie der Baum der seine Säfte nicht drängt

und getrost in den Stürmen des Frühlings steht

ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte.

Er kommt doch.

Aber er kommt zu den Geduldigen

die da sind als ob die Ewigkeit vor ihnen läge.

So sorglos still und weit.

Man muss Geduld haben gegen das Ungelöste im Herzen

und versuchen die Fragen selbst lieb zu haben

wie verschlossene Stuben und Bücher die in einer anderen Sprache geschrieben sind.

Es handelt sich darum alles zu leben.

Wenn man die Frage lebt

lebt man vielleicht allmählich ohne es zu merken

eines fremden Tages in die Antwort hinein.

 

Rainer Maria Rilke

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