Der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Marketing steht erst am Anfang. Doch schon heute scheint sicher, dass KI auch hier zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor wird. Aktuelle Beispiele aus allen Bereichen des operativen Marketings verschaffen einen guten Überblick über Art und Umfang der technologisch getriebenen Veränderungen. Neuveröffentlichung zeigt, was heute schon möglich ist und wohin die Reise geht.
Take-aways des Crashkurses in Künstlicher Intelligenz
- Dank Digitalisierung und KI können Marketingmaßnahmen präziser geplant und durchgeführt werden.
- Mit KI lernen Sie den Markt und die eigenen Kunden besser kennen.
- KI revolutioniert die Produktentwicklung.
- KI ist bereits heute in der Lage, Inhalte für verschiedene Plattformen selbstständig zu generieren.
- Digitale Werbung erfolgt zunehmend automatisiert und KI-gestützt.
- Bei der Personalisierung der Kundenbeziehung spielt KI die entscheidende Rolle.
- Der Kundendialog kann dank KI weitgehend automatisiert werden.
Anzeige
—- Sinnstiftende KARRIEREN —-
Zusammenfassung
Dank Digitalisierung und KI können Marketingmaßnahmen präziser geplant und durchgeführt werden.
Die Digitalisierung hat das alte Dilemma der Werbung beseitigt. Die wahlweise Henry Ford oder John Wanamaker zugeschriebene Aussage „Ich weiß, dass eine Hälfte meiner Werbeausgaben verschwendet ist. Ich weiß nur nicht, welche.“ trifft nicht mehr zu. Digitale Werbung misst ihren Erfolg in handfesten Konversionsraten. Aus der einstmals betriebswirtschaftlich „weichen“ Disziplin ist eine mit harten Kennzahlen geworden.
Doch die Veränderungen betreffen nicht nur die Werbung, sondern alle Bereiche des Marketings. Mit der sogenannten Customer Journey, die vom Erstkontakt des Kunden bis zum Kaufakt dauert, hinterlässt jeder Kunde eine digitale Datenspur. In ihr liegt ein enormer Mehrwert für das Marketing. Hier kommt künstliche Intelligenz (KI) mit ihren vielfältigen Einsatzmöglichkeiten ins Spiel. Diese lassen sich in drei Aufgabengebiete einteilen – auch die „3 As“ des KI-Einsatzes genannt:
Analysieren: Die Analyse steht in diesem Zusammenhang für die Erfassung und intelligente Interpretation von Daten, wie das Erkennen von Mustern.
Automatisieren: In automatisierten Prozessen erledigen die Systeme Aufgaben eigenständig nach zuvor definierten Bedingungen. Solche Systeme sind bereits fähig, sich durch intelligentes Lernen zu optimieren.
Autonom agieren: Dies ist die höchste Entwicklungsstufe im KI-basierten Marketing. Solche Systeme entwickeln eigene zielgerichtete Fähigkeiten ohne direkten menschlichen Einfluss.
Mit KI lernen Sie den Markt und die eigenen Kunden besser kennen.
KI erweitert die Möglichkeiten der klassischen Marktforschung – etwa durch Statistik-Bots, die verborgene Datenbeziehungen aufdecken. Marktveränderungen werden schneller erkannt, Eintrittswahrscheinlichkeiten für spezifische Szenarien können simuliert werden. Das Facebook-Projekt „internet.org“ ist ein gutes Beispiel für den KI-Einsatz bei der Analyse von Marktbedingungen: Ziel des Projekts war die Schaffung von Internetzugängen in abgelegenen Gebieten durch Satelliten oder Drohnen. Die zu lösende Aufgabe bestand darin, den Besiedlungsgrad von Gebieten zu bestimmen, um geeignete Ansatzpunkte für das Projekt zu finden.
Dafür entwickelte das Projektteam im Zuge des gestützten Lernens ein KI-System, das in der Lage ist, Satellitenbilder selbstständig auszuwerten. Nach dem Training mit angeblich nur 8000 Bildern wertete das künstliche neuronale Netzwerk 14,6 Milliarden Fotos selbstständig aus. Das Ergebnis war, dass das technologische Konzept von internet.org dem realen Besiedlungsgrad der Regionen angepasst wurde. Der Einsatz von KI hatte damit einen direkten Einfluss auf die Produktpolitik.
Anknüpfungspunkte für den Einsatz von KI ergeben sich überall dort, wo bisher schon Daten und deren Analyse eine große Rolle spielten.
Neben der Analyse des Marktes hilft KI, den Kunden besser zu verstehen, indem man seine Bedürfnisse, sein Verhalten und seine Entscheidungswege kennenlernt. Eine relativ lange Tradition hat die Mustererkennung in der Finanz- und Versicherungswirtschaft. Daten von Referenzkunden und typische identifizierte Merkmale dienen dort der Prognose von Ausfallrisiken für Kredite oder Eintrittswahrscheinlichkeiten von Schadensfällen. Traditionell sind das Big-Data-Lösungen. Doch auch diese werden schrittweise durch selbstlernende Systeme abgelöst, die dann auch in der Lage sein sollen, die für den Menschen nicht sofort sichtbaren Kausalitäten aufzudecken.
Das sogenannte Native Advertising umfasst in der Regel eine als redaktionelle Artikel getarnte kommerzielle Kommunikation in einem eigentlich als sachlich und neutral wahrgenommenen medialen Umfeld.
Ein weiteres großes KI-Anwendungsfeld liegt im Onlinevertrieb. Der britische Modehändler asos.com nutzt KI, um den Kundenwert deutlich genauer als bisher zu ermitteln. Die herkömmlichen Indikatoren wie Verweildauer oder durchschnittlicher Umsatz erwiesen sich in der Praxis als zu ungenau. Deutlich genauere Erkenntnisse brachte ein auf Deep Learning basierendes Analyseverfahren. Das bestätigte zuvor bekannte Indikatoren, förderte aber auch neue Zusammenhänge zutage. So deutet die Anzahl der Teile, die aus einer neuen Kollektion bestellt werden, auf eine ausgeprägte Affinität zu Neuartigem, auch Newness genannt, hin. Wer solche Informationen hat, kann das Marketingbudget präziser einsetzen.
KI revolutioniert die Produktentwicklung.
Neben einem tieferen Verständnis von Markt und Kunden gibt es auch KI-Einsatzgebiete in der Produktentwicklung. Das Beer Fingerprinting Project der Brauerei Carlsberg verfolgt nicht nur das Ziel, neue Biersorten zu entwickeln, sondern auch, deren Erfolgsaussichten zu prognostizieren. Dafür analysieren Sensoren im Entwicklungsprozess eines neuen Bieres die chemische Zusammensetzung und stellen einen Zusammenhang zum Geschmack her. Die Basis dafür bildet die Entschlüsselung des Hefe-Genoms – hier sucht die KI in verschiedenen Hefestämmen nach Regelmäßigkeiten im Aufbau. Dieser „Geschmacks-Fingerabdruck“ soll den gesamten Innovationsprozess verschlanken und beschleunigen.
Man geht davon aus, dass es möglich ist, die Interessen und Bedürfnisse einer einzelnen Person aus den gesammelten Profildaten weitgehend exakt abzuleiten.
In eine ähnliche Richtung zielt ein KI-Projekt von Daimler. Das System soll Prognosen zu Entwicklungsansätzen ermöglichen. Daten aus Crashtests dienen als Lerngrundlage. Das System bildet den Zusammenhang zwischen Testergebnissen und menschlicher Entscheidungsfindung nach, um menschliche Innovationsprozesse nachzuvollziehen. Das System soll später auch in anderen Bereichen der industriellen Produktion angewendet werden.
KI ist bereits heute in der Lage, Inhalte für verschiedene Plattformen selbstständig zu generieren.
Seriöser und redaktionell wahrgenommener Inhalt spielt in der Kundengewinnung eine große Rolle. Die wichtigsten Einsatzgebiete sind Native Advertising, Content-Marketing und die klassische PR. In allen drei Fällen wird die eigentliche kommerzielle Botschaft hinter einem Informations- oder Unterhaltungsaspekt versteckt – mal mehr, mal weniger gut. Marketingkommunikation über Onlinemedien benötigt große Mengen an Inhalten, die der geforderten Zielsetzung und Form entsprechen. Die Produktion dieser Inhalte kann heute schon in gewissem Umfang durch KI erfolgen.
Dabei wird Sprache maschinell erzeugt; dieser Prozess wird auch Natural Language Generation genannt. Bei Sportberichten etwa finden sich bereits automatisch erstellte Texte. Selbst traditionelle Zeitungsverlage benutzen KI zur Content-Produktion. So setzt die Washington Post das von Technikern und Programmierern entwickelte System Heliograf als intelligenten Storytelling-Assistenten ein. Heliograf wertet als lernendes System die Aktionen von Redakteuren aus und ist in der Lage, selbstständig relevante Themen zu erkennen.
Auch nach der Gewinnung eines Kunden ergeben sich zahlreiche Ansatzpunkte für KI und maschinelles Lernen.
Diese Technologie wird auch im Marketing eingesetzt. Das britische Unternehmen Echobox bereitet die vorhandenen Inhalte eines Unternehmens KI-basiert je nach Kanal auf. Dafür analysiert der Algorithmus in Echtzeit alle relevanten Parameter, wählt für das Posting selbstständig den Inhalt aus und platziert ihn zum perfekten Zeitpunkt im jeweiligen Social-Media-Kanal. Wirkung und Reaktionen werden gemessen und sind die Grundlage für einen permanenten Lern- und Optimierungsprozess. Auch das System Yala analysiert verschiedene Postings. Zusätzlich verfügt es über einen Chatbot, der selbstständig die Kommunikation mit dem Nutzer sucht.
Personalisierung ist als gezielte und aktive Marketingmaßnahme des Unternehmens zu verstehen.
Außer in Marketingtexten kommt KI auch bei der Auswahl visueller Elemente wie Fotos oder Bilder zum Einsatz. Der Streamingdienst Netflix illustriert sein Angebot auf den Einzelnutzer optimiert. So wird ein und derselbe Film mit ganz unterschiedlichen Vorschaubildern beworben. Der Fan von Actionfilmen sieht also ein anderes Thumbnail als der Liebhaber von romantischen Filmen oder Komödien. Das KI-System ermittelt selbstständig das für eine personalisierte Ansprache optimale Material und spielt es aus. Streuverluste werden minimiert, die Marketingwirkung maximiert.
Digitale Werbung erfolgt zunehmend automatisiert und KI-gestützt.
Werbung über digitale Kanäle wird heute fast ausschließlich per Programmatic Advertising abgewickelt. Die Buchung, Platzierung und das Ausspielen der Werbung erfolgt weitgehend automatisiert. Publisher bündeln ihr Angebot an Werbeplätzen auf Supply-Side-Platforms (SSP); Werbetreibende nutzen Demand-Side-Platforms (DSP). Die Preisbildung und Abwicklung der Transaktion erfolgt automatisch. Die klassische Werbung orientierte sich in der Mediaplanung am redaktionellen Umfeld; die Anzeige für eine teure Armbanduhr erschien vorzugsweise auf den Hochglanzseiten von Premiumzeitschriften. Heute geht es nicht mehr in erster Linie um die Präferenzen einer adressierten Zielgruppe.
Der Anspruch besteht darin, die Werbung mithilfe der vorliegenden Nutzerdaten auf einzelne Personen zuzuschneiden – und zwar unabhängig von der Plattform. So lässt zum Beispiel der Bananenproduzent Dole seine Mediaplanung durch eine KI namens Albert steuern. Dazu bekam das System eine Zielerfolgskennziffer, Platzierungsoptionen, Kanäle, Werbeformen, Einschränkungen, Budget und Laufzeit. Basierend darauf lernte Albert, per Versuch und Irrtum das Budget optimal zu investieren. Einer der Lerneffekte war zum Beispiel, dass in manchen geografischen Regionen die Bananenreklame bei Nutzern mit bestimmten Endgeräten besonders gut ankam.
Bei der Personalisierung der Kundenbeziehung spielt KI die entscheidende Rolle.
Ein wichtiges Merkmal digitalisierter Marketingprozesse ist die Personalisierung der gesamten Kundenbeziehung. Wichtig ist das, weil nur eine intakte und positive Kundenbeziehung zu regelmäßigen Einnahmen führt. Die Möglichkeiten der Personalisierung reichen von individualisierten Cross- und Upselling-Angeboten im Onlineshop bis zu einer Kundenbetreuung mit präzise auf die Person zugeschnittenen Texten. Grundsätzlich gibt es zwei Lösungsansätze für individualisierte Empfehlungen:
Inhaltlich kontextuelle Empfehlungen greifen auf die Nutzungsdaten des einzelnen Kunden zurück. Aus der Historie schließt das System auf Vorlieben und Interessen und macht entsprechende Vorschläge.
Kollaborative Empfehlungen basieren auf dem Vergleich mit ähnlichen Nutzerprofilen.
In vielen Branchen gilt immer noch das Paradigma, dass es deutlich kostengünstiger sei, bestehende Kunden zu binden, als neue zu gewinnen.
Das Potenzial, mit KI Zusammenhänge und Muster sichtbar zu machen, nutzt auch die Onlinegalerie Saatchi-Art. Das eingesetzte Deep-Learning-Verfahren versucht, dem Kunstgeschmack der einzelnen Nutzer auf die Spur zu kommen. Dabei berücksichtigt es Parameter wie die Katalognutzung und die Verweildauer bei einzelnen Werken. Eine nachweisbar gesteigerte Conversion Rate zeugt vom Erfolg dieses Deep-Learning-Einsatzes.
Der Kundendialog kann dank KI weitgehend automatisiert werden.
Neben der Gewinnung von Kunden ist die Pflege der Kundenbeziehung die wichtigste Aufgabe im integrierten Marketing. Das Customer-Experience-Management verfolgt das Ziel, dass der Kunde an allen Kontaktpunkten mit dem Unternehmen ein positives Erlebnis hat. Dafür ist es nicht nur nötig, alle Touchpoints im Griff zu haben. Ein positives Kundenerlebnis ergibt sich immer aus der Differenz von Erwartung und Wahrnehmung. Das bedeutet, eine valide Bestandsaufnahme muss die tatsächlichen Erfahrungen des Kunden an seiner Erwartungshaltung gegenüber den Unternehmen messen.
Wer diesen Ansatz mit seinen vielfältigen Wechselwirkungen und in seiner Komplexität ernsthaft verfolgen will, kommt an KI-basierten Lösungen fast nicht vorbei. Die MIT-Ausgründung Cogito optimiert die Kundenbetreuung per Telefon. In Echtzeit vergleicht die Software das aktuelle Gespräch mit vergangenen erfolgreichen Gesprächen. Auf dieser Basis gibt Cogito dem Servicemitarbeiter Hinweise zur weiteren Gesprächsführung hinsichtlich Lautstärke oder Anzahl von Gesprächspausen.
Sehr weit verbreitet ist der Einsatz von Chat- oder Voicebots im Kundendialog. Nach Funktion gegliedert, gibt es vier Kategorien:
Content Bots wählen und platzieren in erster Linie Inhalte in der Kundenkommunikation.
Product Information und Recommendation Bots stellen Produktinformationen, Vergleiche, Alternativen und Empfehlungen bereit.
Ordering Bots wickeln Transaktionen ab.
Customer Service Bots beantworten Supportanfragen und führen After-Sales-Service durch.
Chat Bots existieren inzwischen auch als sogenannte Frameworks, die Standardfunktionen bereitstellen – eine Alternative für Unternehmen, die nicht selbst die komplette Entwicklung von Chatbots übernehmen wollen. Die Qualität an der Kundenschnittstelle hängt einerseits von der technischen Funktionalität der bereitgestellten Frameworks ab. Zum anderen muss das System über korrekt aufbereitete Inhalte verfügen, um zu überzeugen. Die Fähigkeit zur intelligenten Gesprächsführung und die Spracherkennung wie bei Alexa oder Google Home sind zwei wichtige Entwicklungen in diesem Bereich.
Es ist günstiger, einen Kunden zu halten, als einen neuen zu gewinnen. Das Churn-Management widmet sich als Marketingdisziplin der Aufgabe, Kunden zu binden und bei Abwanderung zurückzugewinnen. KI hilft dabei, aufgrund des bisherigen Kundenverhaltens die Kündigungswahrscheinlichkeit zu kalkulieren. So sind zielgerichtete Gegenmaßnahmen möglich. Hat der Kunde bereits gekündigt, lassen sich KI-gestützt passgenaue Rückgewinnungsangebote erstellen. Im Vergleich zu relativ aufwändigen Telefonbefragungen kann KI Kündigungsursachen genauer aufdecken. Gleiches gilt auch für nicht profitable Kundenbeziehungen. Kunden, die das Unternehmen mehr kosten, als sie ihm einbringen, sind Trennungskandidaten. Auch bei der Abschätzung der langfristigen Folgen einer Trennung kann eine KI-Simulation helfen.
Über den Autor
Andreas Wagener ist Politik- und Wirtschaftswissenschaftler und Professor für Digitales Marketing und Digitale Ökonomie an der Hochschule Hof. Darüber hinaus ist er ein gefragter Referent zu Fragen des digitalen Wandels in Wirtschaft und Gesellschaft.
Quelle: getabstract