Warum sich manche Menschen 20 Jahre jünger glauben, als sie sind: Werbung und Medien bestimmen maßgeblich, wie wir uns selbst und einander wahrnehmen. Davon kündet so manche Skurrilität im Zusammenleben der Generationen und Geschlechter.
Kolumne zur Ökonomie asymmetrischer Verhältnisse unter den Geschlechtern und deren Folgen für die genderspezifische Selbst- und Fremdwahrnehmung in patriarchal-kapitalistisch strukturierten Gesellschaften.
Morrien
Über OldTimer, jung im Geiste
Gerade hatten wir seinen neuen Rollator ins Auto geladen. Er saß hinten, nun in seinen Achtzigern angekommen. Wir beiden Frauen, in unseren frühen Sechzigern, vorn.
„Ach“, räsonierte er. „Wacklig sind wir ja alle etwas.“
„Nein“, erwiderte ich. „Das bin ich nicht, jedenfalls noch nicht.“
Wir fuhren weiter — und nach einigem Schweigen meinte er:
„Ja, da sind ja tatsächlich auch 20 Jahre zwischen uns.“
Rechenkünstler
Er schien aufrichtig überrascht von dieser Erkenntnis. Nach 25 Jahren Freundschaft wurde ihm dieser Umstand in seiner rein physischen Bedeutung plötzlich klar. Es bestätigte sich mir, was ich immer gewusst hatte: In seiner Wahrnehmung waren wir drei gleich alt.
Ich fühlte mich an eine Freundin erinnert, die mir einmal von einem Date mit einem 70-Jährigen erzählt hatte. Sie war damals 50. Im Verlaufe des Gespräches hatte der Mann freimütig erklärt, er habe kein Problem mit älteren Frauen.
Edle Dinge
Unserem alten Freund verdanken wir die Bekanntschaft mit einem Magazin für die schönen und teuren Dinge des Lebens. Auf dem aktuellen Cover sehen wir eine junge Frau mit Sonnenhut, u30, in mediterran anmutendem Ambiente.
Sie strahlt jemanden zu ihrer Linken an, von dem nur dessen rechte Hand zu sehen ist, lässig auf dem Tisch liegend — ein Weinglas berührend, erkennbar als Hand eines Hochaltrigen, vermutlich nicht die ihres (Groß-)Vaters.
PS: Junge Frauen zählen übrigens nicht zur Zielgruppe des Magazins, eher wohlhabende Männer fortgeschrittenen Alters.
Literaturhinweise
Natalie Bleuel, “Warum fühlen wir uns jünger, als wir sind?“, in: Die Zeit (17.05.2023
Zitat: “Es wird ein Unterschied gemacht zwischen der alten Frau (lieb, warm, kocht gut, Omi) und dem alten Mann (erfahren, kompetitiv und immer noch Vorstand oder Staatsoberhaupt).”
Inga Blundel & Yvonne Hissel, Feministiken. Die Wahrheit über Gleichberechtigung, dtv 2022
Zum Inhalt: 1000 Fakten, 250 Infografiken, 100% aktuell. Gehört in jeden Haushalt!
Caroline Criado-Perez, Unsichtbare Frauen. Wie eine von daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert, btb 2020
Cover-Zitat: Frauen werden systematisch diskrimiert, da unsere von Big Data beherrschte Welt fast ausschließlich auf männerbezogenen Daten basiert.
Birgitt E. Morrien, Coaching mit DreamGuidance, Wie berufliche Visionen Wirklichkeit werden, COP 2022 / Download kostenlos (Kösel 2012)
Zum Inhalt: Wie sich (auch) Frauen den Zugang zu ihrer Kraft freilegen , um diese strategisch wirksam zu nutzen, für sich selbst und zum Nutzen aller.
Linda Scott, Das weibliche Kapital, Hanser 2020
Cover-Zitat: Die Ungleichheit zwischen Arm und Reich hat einen blinden Fleck – die Rolle der Frauen. Gleichstellung ist Grundlage des Wohlstands.
Miriam Stein, Die gereizte Frau. Was unsere Gesellschaft mit meinen Wechseljahren zu tun hat, Goldmann 2022
Cover-Zitat: Männer reifen. Frauen werden einfach nur alt. (..) Das gesellschaftliche Stigma überwinden, indem Frauen über ihr Älterwerden sprechen.
Mehr Befreiungsliteratur (Stand 2022)
SEMINAR-Coaching
Visionen für die späteren Jahre / 55+
Fotohinweis: Wilhelm von Morrien lebte im 17. Jahrhundert auf dem Falkenhof in Rheine. Dessen Nachfahrin Birgitt Morrien lebt und arbeitet schwerpunktmäßig in Köln.