PUMA schützt vor Operation ohne Befund

Genau hinhören. (Foto: #Morrien / Germany 2021)

Profunde Beratung ist erkennbar: Einem fahrig wirkenden Mediziner, der mit Birgitt Morrien gleich einen OP-Termin vereinbarte, mochte die Coaching-Expertin nicht glauben. Ihre Nachforschungen ergaben: kein Befund. (K)ein Einzelfall im betriebswirtschaftlich organisierten Gesundheitssystem?

Birgitt E. Morrien

O. k., o. k. – eine kleine Arztgeschichte

Dass man es schaffen kann, in einem Satz dreimal „O. k.“ zu sagen, hat mir Dr. Staenkher [1] bewiesen. Der Chirurg untersuchte mich binnen zehn Minuten und entschied, ich sei zu operieren. O. k. Eine Hernie [Weichteilbruch], so der Befund, für ihn deutlich „unter Ihrem Speck“ zu spüren, o. k. Klare Sache, zumal mich ein anderer Arzt mit entsprechendem Verdacht an ihn verwiesen hatte.

Falls die Hernie eine bestimmte Größe größe überschreite, brauche es ein kleines Netz, so der Chirurg, um die Naht zu entlasten. Zwar bestehe dieses nur aus Kunststoff und sei extrem billig in der Herstellung, verriet er mir, im Verkauf an die Praxen aber einige Hundert Euro teuer.

Dass ein solches Netz zu vernähen für die Hersteller wie auch für ihn selbst lukrativ sein dürfte, lag als Vermutung nahe. Auch medizinische Praxen unterliegen kapitalistischen Gesetzen. Da mir der Mann zudem extrem gehetzt erschien und die Art der Kommunikation nur suboptimal ausfiel, schöpfte ich Verdacht. Immerhin kenne ich die Herausforderungen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte auch aus der Perspektive der Beratenden.

Dennoch vereinbarte ich mit ihm für zwei Wochen später den ambulanten OP-Termin und ließ mir alle dafür erforderlichen Unterlagen mitgeben. Wie vermutlich noch etliche weitere Patient*innen allein an diesem Tag.

 

Die Prüfung

Anders als viele meiner Kolleg*innen habe ich mich als Freiberuflerin gesetzlich und nicht privat krankenversichert. Auf einen MRT-Termin hätte ich so wohl zwei Monate warten müssen. Stattdessen organisierte ich mir für den darauffolgenden Tag einen Termin in einer Privatpraxis.

Im Unterschied zu vielen anderen gesetzlich Versicherten kann ich mir eine solche Lösung leisten, um die Angemessenheit der Diagnose zu prüfen. Diese Praxis verfügt über das beste medizinische Gerät, das der Markt gerade hergibt. Service und Kommunikation sind großartig.

Xuan Vinh Nguyen [2]nahm sich Zeit, um mir das Ergebnis des MRT in aller Ruhe darzulegen. Demnach war keinerlei Bruch zu erkennen. An einem in der Medizin üblichen Schaubild führte er aus, warum es keinen Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses geben könne.

 

Nicht komplett

Es war eine Freude, dem Mediziner zu folgen, der mir an einem Schaubild bis dato unbekannte, spannende Sachverhalte zu erklären wusste. Ob seine Ausführungen auch auf mich zuträfen, fragte ich ihn schließlich, da die dargestellte Person ja unvollständig sei. Es fehlten ihr doch Brüste, Gebärmutter und Eierstöcke.

Ich verzog dabei keine Miene: Vor meinem inneren Auge sah ich ihn bei dem hilflosen Versuch, einem Prostata-Patienten am Bild eines Frauenkörpers dessen Leiden zu erklären.

Xuan Vinh Nguyen schaute mich vollkommen irritiert an, und ich zwinkerte ihm zu. „Alles gut“, sagte ich und erlöste ihn aus einer ihm sichtlich peinlichen Verlegenheit. „Ja“, meinte er, „Sie haben vollkommen recht. Da gibt es in der Medizin noch einigen Nachholbedarf.“

 

Die Gegenüberstellung

Ich mag ja klare Worte. Also vereinbarte ich einen neuen Termin für ein Gespräch mit Dr. Staenkher, dem ich zuvor den MRT-Befund zukommen ließ mit dem Hinweis, den OP-Termin nicht wahrnehmen zu wollen.

Zum Gespräch kam er in den Behandlungsraum, ohne mich zu grüßen. Den Befund hatte er sich noch nicht angesehen, da dieser für ihn nicht zu öffnen gewesen sei. Ob er mich noch einmal untersuchen solle. Ich verneinte, stand auf und verließ den Raum. Grußlos.

Am folgenden Tag rief er mich an und hinterließ im Büro eine Nachricht mit der Bitte um Rückruf. Als ich ihn anwählte, war er sofort am Apparat, sehr freundlich. Geht doch, dachte ich. Aber wie so oft leider nur, wenn die Hierarchie geklärt ist. Bei einer Journalistin als Patientin, befürchtete er vermutlich, könne „die Sache“ für ihn heiß werden.

 

Kommunikation lernen

Aus Gründen der Psychohygiene nahm ich mir die Zeit, ihn kostenlos zehn Minuten lang zu briefen, was Patient*innen-Kommunikation betrifft. Wissend, dass er „es“ ja ohnehin kann, doch offenbar je nach Gegenüber entscheidet, wo es nötig ist, wo nicht. Die Belehrung tat mir gut. Und er nahm sie hin, musste sie hinnehmen.

Den Grund für die eklatante Fehldiagnose hat er mir in dem Telefonat nicht verraten. Wie es ihm als erfahrenem Chirurgen und Spezialisten für Hernien passieren konnte, einer Patientin ohne (nachweisbaren) Befund eine OP zu verordnen, bleibt mir ein Rätsel.

Da ich jedoch jeden falschen Verdacht ausräumen wollte, holte ich bei einer erfahrenen Fachärztin für Viszeralchirurgie eine Zweitmeinung ein. Ohne  Shivany Thavarajah [3] von der Vorgeschichte zu berichten, ließ ich sie mich untersuchen. Weder „händisch“ noch per Sonografie war eine Hernie festzustellen.

Im Unterschied zu dem Kontakt mit ihrem operationsfreudigen Kollegen fand hier mit mir als gesetzlich Versicherter ein freundliches und entspanntes Gespräch statt. Auch modernste Technik wurde mir zuteil, was mich erleichterte. Dies insbesondere mit Blick auf Menschen mit kleinerem Budget, die über die kassenärztliche Versorgung hinaus keine weiteren Versorgungsangebote wahrnehmen können.

 

Kontrolle wirkt

Inzwischen habe ich die Adresse von Dr. Staenkher an das PUMA-Netzwerk weitergeleitet: Patient*innen Untersuchen Mediziner*innendiagnosen Anonym. PUMA-Netzwerker*innen wie ich sprechen ausgewählt weitere potenzielle Netzwerker*innen an.

Für die Art des Vorgehens steht „mein Fall“ exemplarisch: Mit medizinischen Anliegen begeben sich Patient*innen in die Hand ausgewählter Mediziner*innen und lassen erstellte Diagnosen anschließend ggf. gegenprüfen. Im Staenkher-Fall belassen wir es dabei, hier anonym darüber zu berichten. Sollte uns jedoch ein zweiter vergleichbarer Fall aus seiner Praxis bekannt werden, wird die Presse informiert.

Wir geben ihm noch eine Chance. Und durch PUMA auch potenziell Gefährdeten, um einem Machtmissbrauch in medizinischen Geschäftsfeldern systematisch entgegenzuwirken bzw. vorzubeugen.

 

[1] Name geändert.
[2] www.radiologiehoch3.de
[3] www.hernienzentrumkoeln.de

 

Presse & Literatur:

Claus-Peter Simon: Fehldiagnosen in der Medizin – und wie sie sich verhindern lassen – [GEO]

Dr. med. Werner Bartens: Gesundheitsrisiko: weiblich – Paperback – Heyne Verlag (penguinrandomhouse.de)

Prof. Dr. Michaela Döll: Frauenherzen schlagen anders – Warum Frauen in der Medizin falsch behandelt werden und wie sie die richtige Therapie bekommen (m-vg.de)

#Medizin #Business #Frauen #Unsichtbarkeit #Ärztin #Karriere

 

TV-Beitrag zum Thema Gendermedizin:

Anders krank – Warum wir Frauenmedizin brauchen, Dokumentation, 3 SAT
Frauen haben ein doppelt so hohes Risiko an einem Herzinfarkt zu sterben, kämpfen häufiger mit Nebenwirkungen von Arzneien oder leben mit unerkannten Krankheiten. Im Medizinsystem gelten Männer als Norm.

Kontakt:

COP – Coaching, Organisation & PR
Dipl. rer. com. Birgitt E. Morrien, M.Sc./USA
Senior Business Coach DBVC / IOBC

Krüthstr. 27
D-50733 Köln

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