Digitaler Wandel: Träume, Harfen und eine verrückte Welt

Birgitt Morrien @59

FAZ-Buchautor Norbert Bruhdoel ist stolz, dass seine ehemalige Studentin Birgitt Morrien ihre Nische an der Schnittstelle von Coaching und Medienwirtschaft gefunden hat. Während viele Coaches versprechen, die Ressource Mensch zu unterstützen, hat Morrien bewiesen, dass sie es wirklich kann.

 

von Norbert Schulz-Bruhdoel

„Also, ziemlich exzentrisch ist sie schon.“ Diesen Satz sagte ich über Birgitt Morrien zu meinem Nachfolger, als ich die einzelnen Kursteilnehmer* kurz charakterisieren sollte. Ich kannte sie damals noch nicht lange, und niemals hätte ich damit gerechnet, dass wir Freunde werden würden.

Das ist dreißig Jahre her. Fünf Jahre hatte ich einen Weiterbildungskurs geleitet, der junge Menschen mit akademischem Hintergrund fit für die schnell wachsende Branche der Public-Relations-Berufe machen sollte: als Pressesprecher, Kommunikationsmanager oder Medienentwickler. Dahinter standen die renommierte Kölner Journalistenschule und das Institut der deutschen Wirtschaft. Grundlage war eine dort angefertigte Studie, der zufolge eine Investition in eine markttaugliche Weiterbildung für Akademiker mit geringen Anstellungschancen deutlich sinnvoller wäre, als diese jungen Menschen ihre Potenziale als Taxifahrer, Nachtwächter oder Barkeeper verschwenden zu lassen.

Birgitt Morrien war so jemand. Sie hatte Kommunikationswissenschaften in den USA studiert und einen hervorragenden Master of Science in Boston gemacht – hierzulande galt das nicht viel. Als eine von knapp 400 schaffte sie es mit ihrer Bewerbung und konnte einen der zwanzig Weiterbildungsplätze in Köln einnehmen. Nachdem ich einige Monate später von der Studienleitung in eine Existenz als freier Journalist zurückgekehrt war, habe ich Birgitt Morrien als Dozent weiter auf ihrem Weg begleitet.

Sie fiel auf – nicht nur, weil sie ziemlich groß gewachsen ist und die Haare provozierend kurz trägt. Sie stellte Fragen, die rasch erkennen ließen, dass wir ihr nicht mehr viel beibringen konnten. Die aktuelle Medienlandschaft in Deutschland war ihr durch den Auslandsaufenthalt fremd, und den wissenschaftlichen Duktus mussten wir ihren Texten nehmen. Aber als Absolventin einer der angesehensten Kaderschmieden für die PR-Branche in den USA wusste sie verdammt gut Bescheid.

Wir wurden Freunde.

Lange dachte ich, dass sie sich verzettelt und ihre Möglichkeiten nicht wahrnimmt, als sie nach dem weithin anerkannten Zertifikat als PR-Beraterin noch eine Weiterbildung als Coach begann. Als sie mir später ihr Konzept „DreamGuidance“ erklärte und ich sah, wie sie mit den neuen Möglichkeiten des Bloggings umging, wurde klar: Birgitt Morrien weiß genau was sie will, und sie bewegt sich für ihre Sache mit zunehmender Meisterschaft in der medialen Selbstvermarktung.

Es gibt wohl kaum einen Wirtschaftszweig, der die in ihm tätigen Menschen in dem Ausmaß fordert, wie es die Medienwelt tut. Der Produktionsdruck in den Redaktionen von Zeitungen, Zeitschriften, Radio und TV ist enorm und wächst weiter. In den Kommunikationsabteilungen von Unternehmen, Verbänden und Institutionen arbeiten manchmal hunderte Mitarbeiter am Image, am Kommunikationsfluss in weltweit tätigen Konzernen, am Management von Krisen und Katastrophen. Ihnen zur Seite stehen Agenturen, die oft nichts anderes sind als der verlängerte Schreibtisch der PR-Stäbe ihrer Klienten. Dort ist die Frustration ein Alltagsbegleiter, weil mühsam erdachte Kommunikationskonzepte in Häppchen zerteilt und geplündert werden, um kurzfristige taktische Gewinne einzufahren.

Das Tempo hat sich durch den Siegeszug der „sozialen Medien“ noch weiter beschleunigt – der Strom bedeutender oder banaler Neuigkeiten schwillt und schwillt. Wer in der Fülle des Datenflusses von Facebook, Instagram, Twitter, Whatsapp etc. wahrgenommen werden will, muss lauter, origineller, kreativer sein als die unzähligen Mitbewerber um die Aufmerksamkeit des geschätzten Publikums.

Es geht um ein gewaltiges Geschäft:

Die zehn weltweit erfolgreichsten Medienunternehmen machten 2017 mehr als 500 Milliarden Euro Umsatz. Aus dem Stand heraus erwirtschaftete Netflix 2016 ebenso viel, wie die deutschen Medienkonzerne Axel Springer und Pro-Sieben-Sat1 zusammen. Umsatz und Gewinn von Facebook haben sich 2018 trotz weltweiter Skandale um Datenmissbrauch gegenüber 2016 verdoppelt – und die traditionsreiche „Washington Post“ gehört schon seit sechs Jahren zu Amazon Inc. Die „New Economy“ verschluckt die „Old Economy“.

Birgitt Morrien hat ihre Kundschaft im Kreis der Mitarbeiter in dieser Welt des Wahnsinns gefunden. Wer in einem Medienunternehmen arbeitet, muss starken Druck von mehreren Seiten aushalten und zugleich perfekt „funktionieren“, und das im Prinzip rund um die Uhr. Wer sein Smartphone ausschaltet und die „wichtige Neuigkeit“ verpasst, hat verloren. Es geht zwar möglicherweise nur darum, ob Meghan Markle entbunden hat oder es ein falscher Alarm war – aber für Mitarbeiter in Nachrichtenredaktionen, in Pressestellen von Babykleidungsherstellern und -händlern, im Privatfernsehen und -rundfunk, in Redaktionen von „Gala“ oder „Bild“ etc. ist das enorm wichtig. Das klingt nicht nur krank, das macht auch krank.

So etwas haben sich die wenigsten vorgestellt, die einmal „irgendwas mit Medien“ machen wollten. Niemand hat sich vor dreißig Jahren die Dynamik vorstellen können, die diesen Wirtschaftszweig ergriffen hat, auch Birgitt Morrien nicht. Aber der Aufbruch in diesem Berufemix war spürbar, in der Medienstadt Köln vielleicht mehr anderswo. Hier liefen sie einem ja fast täglich über den Weg, die Leute von RTL, WDR oder Deutschlandfunk, vom Kölner Stadt-Anzeiger oder von Kiepenheuer & Witsch, diese graugesichtigen Kettenraucher, diese erkennbar gestressten Medienmacher.

Morrien ließ sie träumen –

was hätte aus mir werden können, was will ich in dieser Welt? Für einige öffneten sich dadurch neue Pforten zur eigenen Kreativität, andere fanden heraus, dass sie in diesen neuen, rasend gewordenen Medien keinen dauerhaften Platz finden werden und gingen völlig andere Wege. Dritte entdeckten mit Birgitts Hilfe ungeahnte Kraftquellen in sich, wo sie nie welche vermutet hätten. Und wieder andere konnten mit ihrer Methode nichts anfangen und suchten anderswo nach Hilfe.

Wenn ich heute auf meine rund 35 Jahre als Mitgestalter und Dozent in der Aus- und Weiterbildung von Öffentlichkeitsarbeitern zurückblicke, schaue ich auch auf Birgitt Morrien. Ich bin recht froh, dass sie ihre Nische in der Schnittstelle gefunden hat, wo sich fundierte Lebenshilfe und die Realität der Medienwirtschaft begegnen. Viele Coaches versprechen, um die wertvolle Ressource Mensch in diesem verrückten Milieu besorgt zu sein. Aber wer kennt sich darin aus?

Ich selbst lebe inzwischen im Ruhestand und habe mit den Exzessen der Branche nur noch wenig zu tun. In meiner Lebensphase gibt es häufig Traumerlebnisse, die Vergangenes reflektieren, nicht gelöste Konflikte zum Thema haben oder Rechenschaft einfordern.

„Ich habe keine guten Nächte“, lässt Richard Strauß die Königin Klytämnestra in seiner Oper „Elektra“ klagen. Sie wird gequält von ihrem schlechten Gewissen, weil sie einst, gemeinsam mit ihrem Geliebten Ägisth, ihren Gemahl Agamemnon erschlagen hat. „Weißt Du kein Mittel gegen Träume?“ fragt sie ihre Tochter Elektra.

Niemand muss eine Leiche im Keller haben um zu begreifen: Träume gehören zu unserem Leben, wir können sie nicht unterdrücken, aber Schlüsse daraus ziehen. Das gilt für die Rückbesinnung, ebenso aber als Metapher für die Vorstellung von unserem künftigen Leben.

Mit Instagram zur berühmten Influenzerin werden;

oder mit Hilfe von Heidi Klum zum Model – das sind Fantastereien, die selten eine solide Grundlage haben. Losgelöst von den Grenzpfosten der wirtschaftlichen Vernunft die Möglichkeiten erkennen, was in uns steckt und was das Leben bieten könnte – das ist gutes Coaching. Das kann auch ohne „geführte Tagträume“ gelingen, dauert dann aber eventuell deutlich länger.

„Ziemlich exzentrisch ist sie schon!“ Auch nach dreißig Jahren würde ich diesen Satz einem Bekannten sagen, um ihn auf die Begegnung mit Birgitt Morrien vorzubereiten. Denn Exzentriker brauchen wir. Mich überraschte sie vor einiger Zeit mit einer Art Harfe, die sie von einer Reise in die Mongolei mitgebracht hatte. Ich hörte Klänge in ihrem virtuos vorgetragenen Spiel, die mir völlig neu und fremd waren – aber sie konnte sie aus dem exotischen Instrument zaubern, als hätte sie nie etwas anderes getan. Welcher Mainstream-Mensch könnte denn sowas?


Der Autor:

Norbert Schulz-Bruhdoel (1952-2023) war ein renommierter Wissenschaftsjournalist und Buchautor. Er leitete von 1984 bis 1990 das Projekt „Journalisten in Wirtschaft und Verwaltung“ am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln und lebte zuletzt am Rhein und in Frankreich.

 

 

Ausgewählte Bücher von Birgitt Morrien
Karrieren mit Sinn: 55+ Coachingberichte aus Klientensicht

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